Insolvenztourismus der SORAVIA

Insolvenz in Eigenverwaltung betrifft 10.000 AnlegerInnen

SORAVIA wollte hoch hinaus – Deutsche AnlegerInnen werden jetzt tief fallen

AnlegerInnen der One Group müssen immer mehr um ihr Geld zittern. In einer Mitteilung an den Vertrieb der ProReal-Produkte wurde die Einleitung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung vermeldet. Konkret geht es um die SC Finance Four GmbH, für die beim Amtsgericht Offenbach ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Problematisch ist das für 10.000 AnlegerInnen der ProReal Europa 9 und ProReal Europa 10. Deren 278 Millionen Euro wurden über Darlehen an die nun insolvente SC Finance Four weitergereicht. Von dort floss das Geld dann wiederum an Projektgesellschaften, von denen offenbar einige mit Schwierigkeiten kämpfen.

Vertriebspartnerinformation
Die wichtige Nachricht wurde in einer langatmigen Rechtfertigung über ein schwieriges Marktumfeld regelrecht versteckt: „Bei der PRE 9 GmbH und PRE 10 GmbH sind ca. EUR 278 Mio. Anlegergeld in hochverzinsliche Nachrangfinanzierungen investiert. Hier wird eine geordnete Restrukturierung durchgeführt. Bei der durch die beiden Gesellschaften finanzierten Poolgesellschaft, der SC Finance Four GmbH, wurde ein Insolvenzantrag mit Antrag auf Eigenverwaltung gestellt.“ SORAVIA möchte die Ausbreitung auf andere Projektgesellschaften und den Gesamtkonzern verhindern: „Die ONE GROUP ist sich gemeinsam mit ihrer Konzernmutter, der Soravia Gruppe, ihrer wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung gegenüber Ihnen als Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartnern, den Anlegern, unseren Mitarbeitern und allen anderen Stakeholdern bewusst.“ Von einer „Sorgfaltspflicht und Verantwortung“ gegenüber den Stakeholdern wird zusätzlich in Zusammenhang mit der Beauftragung eines profilierten Teams an Unternehmensberatern und spezialisierten Anwälten geschrieben (siehe auch: SORAVIA restrukturiert One Group). Streng genommen müssten AnlegerInnen aber vor den Eigenkapitalgebern (Stakeholdern) bedient werden. Stattdessen verkauft SORAVIA die Aktion als Schaffung der „notwendigen Rechtssicherheit, um Investoren die Möglichkeit zu geben, die zur Fertigstellung der Projektabwicklungen benötigten Gelder in die jeweilige Projektgesellschaft zu investieren“. Das soll wohl heißen, dass zur Rettung sogar noch Fresh-Money benötigt wird.

Insolvenztourismus
Die wahren Absichten müssen in solchen Meldungen immer zwischen den Zeilen gelesen werden. Dazu zählt auch die Frage über die Zuständigkeit des Amtsgerichts Offenbach, die ungewöhnlich erscheint, da im Handelsregister bis zuletzt als Unternehmenssitz Hamburg eingetragen ist. Bei der Schwestergesellschaft SC Finance Three GmbH gibt es seit kurzem eine Neueintragung mit der Dornhofstrasse 100 in Neu-Isenburg. An dieser Adresse findet sich eine CAPERA Immobilien Service GmbH, die mittelbar zum SORAVIA-Konzern gehört. Notar Bernhard Schütz aus Frankfurt beurkundete diese Sitzänderung am 18. Januar. Gleicher Notar hat am 16. Februar aber eine Gesellschafterliste bestätigt, auf der abweichend vom Gesellschafterbeschluss noch Hamburg als Sitz angegeben war. Es wäre spannend zu wissen, wann tatsächlich die Beurkundung vom 18. Januar an das Handelsregister beim Amtsgericht Hamburg verschickt wurde, damit die Öffentlichkeit korrekt über den Sitz informiert wird. Bei der SC Finance Four GmbH ist derzeit noch nicht einmal eine Sitzänderung im Handelsregister erkennbar. Konsequent wäre, wenn Offenbach das Verfahren nach Hamburg verweist.

ProReal Europa 9 und 10
Der ProReal Europa 10 hat als größte Emission in der Unternehmensgeschichte der One Group per Ende 2022 insgesamt 175,8 Millionen Euro an die SC Finance Four ausgeliehen. Weitere 101,6 Millionen Euro kamen von der ProReal Europa 9 hinzu. Diese jeweiligen Ausreichungen als Darlehen sollten zehn Prozent Verzinsung einbringen, um die Emissionskosten zu erwirtschaften sowie die Verzinsung der AnlegerInnen mit 5,75 beziehungsweise 6,0 Prozent zu ermöglichen. In der Mitteilung an den Vertrieb beschreibt SORAVIA die Schuldverschreibungen als hochverzinsliche Nachranginvestments mit einem „Risiko-Ertragsprofil, das durch die Höhe der Verzinsung und die Nachranggestaltung auch deutlich größere Risiken birgt“. Eine Sicherheit haben die AnlegerInnen nicht erhalten, weshalb mit schmerzlichen Verlusten zu rechnen ist, denn ganz erhebliche Gelder sind in vier besonders problematische Projektentwicklungen geflossen, die mitverantwortlich für den Insolvenzantrag in Eigenverwaltung sein sollen: „Hintergrund hierfür war, dass die Projekte Unterföhring (UFO) München und Sylter Hof Berlin aufgrund einer fehlenden tragfähigen Finanzierung vollständig rückabgewickelt werden mussten. Das Projekt Tegernsee musste teilweise rückabgewickelt werden. Zusätzlich hatte sich die Fertigstellung des Projekts Zollhafen Mainz deutlich verzögert.“

Problemobjekt München-Unterföhring
Die als Grund für den aktuellen Insolvenzantrag angeführten Probleme sind allerdings nicht neu, denn bereits Ende 2023 hat die SORAVIA Investment Holding vier Projektgesellschaften aus dem Konzernverbund ausgliedert, um die Bilanz per 31. Dezember entsprechend zu bereinigen (siehe auch: Von Verschiebung bis Schiebung). Eine davon ist die SORAVIA VRG 1 GmbH mit einer Immobilienentwicklung in München-Unterföhring. Verkäufer ist ein geschlossener Immobilienfonds, der 2011 von der IVG als „Euroselect 21 München – Zentrale der Allianz Deutschland“ vermarktet wurde. Bereits im Januar 2022 berichtete SORAVIA von dem angeblich erfolgreichen Ankauf: „Auf dem ca. 42.000 Quadratmeter großen Grundstück soll ein als Innovationsstandort konzipierter Bürocampus mit diversifizierter Mieterstruktur entstehen. Die Planungen für die Bebauung des Grundstücks beginnen 2022, bis 2028 soll das Projekt abgeschlossen sein.“ Diese Planungen sind längst obsolet, weil SORAVIA Schwierigkeiten mit der Fremdfinanzierung bekam. Es ging um 93,3 Millionen Euro Kaufpreis für das zuvor als Rechenzentrum genutzte Gebäude. Die DFH als heutiges Fondsmanagement macht 18,3 Millionen Euro Vertragsstrafe geltend. Eigentlich dürfte das alles kein Problem für die AnlegerInnen von ProReal-Produkten sein, da diese nicht in Kaufverträge investieren wollten, deren Gesamtfinanzierung unsicher war. Trotzdem steckten 2023 bereits 16 Millionen Euro von der SC Finance Four in dieser Projektentwicklungsgesellschaft.

Sylter Hof in Berlin
Wer öfter in Berlin ist und dort in Mittelklassehotels absteigt, der war vielleicht schon im Sylter Hof in der Kurfürstenstraße zu Gast. Das Gebäude biete laut SORAVIA ein hohes Nachverdichtungs- und Neubaupotenzial. Büro, Hotel und Wohnen auf 24.700 Quadratmeter sollten in der „Quartiersentwicklung mit Landmarkcharakter“ entstehen. Der erst kürzlich beim Handelsregister veröffentlichte Jahresabschluss 2022 der Kurfürstenstraße 114-116 Projektentwicklungs GmbH lässt davon noch nicht viel erkennen. Das Eigenkapital war mit 1,8 Millionen Euro negativ und die Gesellschaft damit bilanziell überschuldet. Im Jahr 2023 kam es auf Geschäftsführerebene zu einem heftigen Stühlerücken. Peter Steuerer, Stefan Spilker und Siegfried Weiß sind ausgeschieden, Adrian Menczyk ist nun alleiniger Chef. Die frühere Gesellschafterin SoReal Deutschland GmbH hat außerdem kurz vor Weihnachten 2023 ihre Anteile an die ZH24 Beteiligungs zwei GmbH übertragen. Die in der Vertriebsinformation eingeräumte vollständige Rückabwicklung lässt nichts Gutes für die von der SC Finance Four dort investierten 40 Millionen Euro erahnen.

Zollhafen Elements in Mainz
Einen neuen Stadtteil direkt am Ufer des Rheins entwickelte SORAVIA unter dem Label „Zollhafen Elements“. Projektgesellschaften sind die RA 1 Holding GmbH beziehungsweise deren Töchter RA 1 GmbH sowie RA 1 Hotel GmbH. Auffällig sind auch hier einige Wechsel bei den Prokuristen und Geschäftsführern. Bis April 2020 war sogar Jasmin Soravia in der Geschäftsführung der RA 1 Holding GmbH, bevor sie aus dem Familienunternehmen ausschied. Seit Dezember 2023 gehört auch die RA 1 nicht mehr zum Konzernverbund der SORAVIA Investment Holding, da diese ebenfalls an die ZH24 Beteiligungs zwei GmbH verschoben wurde. In den Wohnungen und dem Hotel steckten 2023 rund 20 Millionen Euro der SC Finance Four.

Quartier Tegernsee
In der Information für den Vertrieb ist als viertes Problemobjekt von einer teilweisen Rückabwicklung des Projekts „Tegernsee“ die Rede. Hier sollte bis 2022 „fast direkt am Seeufer ein Ensemble aus einem Hotel und drei Wohnresidenzen mit Seeblick und erstklassiger Ausstattung“ errichtet werden. Als Projektgesellschaft fungiert hier die Planquadrat T2 GmbH. Für diese wurde beim Bundesanzeiger noch nicht einmal ein Jahresabschluss 2022 eingereicht. Die Zahlen 2021 zeigen ein negatives Eigenkapital von 7,5 Millionen Euro. Was die teilweise Rückabwicklung für den 2023 „gezogenen Darlehensbetrag“ in Höhe von gut 20 Millionen Euro der SC Finance Four bedeutet, wird sich noch zeigen.

Münchner Hauptbahnhof
Nicht in der Vertriebsinformation erwähnt, aber Ende 2023 aus dem Konzern ausgegliedert wurde die SOR München HBF GmbH. Im Januar 2021 meldete SORAVIA zusammen mit denkmalneu die umfangreiche Sanierung und Aufwertung von vier Drei-Sterne-Hotels im Münchener Zentrum. Unter der SOR München HBF GmbH, hängen vier Gesellschaften. In Summe sind die Jahresabschlüsse 2022 besorgniserregend. Mit 12,2 Millionen Euro negativem Eigenkapital zeigt sich bei der SOR München HBF eine deutliche bilanzielle Überschuldung. Um die 20 Millionen Euro Kapital von AnlegerInnen stehen hier im Feuer.

Wer ist Jochen Winter?
Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Adressänderung der SC Finance Four GmbH dem mindestens verpönten Insolvenztourismus zuzuordnen ist, taucht auch ein Jochen Winter auf. „Rechtsanwalt Winter ist Teil des Teams“, schrieb SORAVIA bereits vor einer Woche auf eine Presseanfrage zu dieser Personalie. Mehr wollte die Wiener Pressestelle nicht ausführen. Deshalb ist noch nicht bekannt, bei welchen Gesellschaften Winter welche Rolle übernimmt und was seine Aufgaben sein werden.

Loipfinger’s Meinung
Es ist ein großes Warnsignal, wenn vor einer Insolvenz noch schnell der Sitz geändert wird. Meist wird so versucht, einen „genehmen“ Verwalter zu organisieren. Insolvenzanträge in Eigenverwaltung liefern hier ein Spektrum an Einflussmöglichkeiten, die aus Sicht der 10.000 AnlegerInnen von ProReal Europa 9 und 10 unbedingt hinterfragt werden sollten. Es besteht ein enormes Risiko der „asymmetrischen Schadensverteilung“, wie das in der Szene genannt wird. AnlegerInnen sollten sich dringend organisieren – zum Beispiel im Anlegerforum Investmentcheck.Community – und auch bei sogenannten Anlegeranwälten aufpassen, die in solchen Fällen gerne Steigbügelhalter spielen und über Interessensgemeinschaften vor allem die eigenen Interessen verfolgen. Deutsche Lichtmiete, Leonidas sowie UDI sind Beispiele, wie skrupellos die Mandatsakquise funktioniert. Wer die Adressen der AnlegerInnen hat, kann groß absahnen. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof bei UDI sogar eine Pflichtverletzung festgestellt, weil der damals noch vorläufige Insolvenzverwalter Jürgen Wallner den Anlegeranwalt Peter Mattil als kostenlosen Vertreter auf der Gläubigerversammlung empfahl. Mattil hat vorher als vor-vorläufiger Gläubigerausschuss im anfänglichen Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung noch den Sachwalter Wallner empfohlen. In der Gläubigerversammlung wurden von Mattil die aktiven AnlegerInnen der IG UDI mit den fragwürdig gesammelten Vollmachten überstimmt und Wallner als endgültiger Insolvenzverwalter bestellt. Derzeit sind die ProReal-AnlegerInnen nur indirekt von einer Insolvenz betroffen. Angesichts der seit Weihnachten laufenden Verschiebungen und Aktionen ist allerdings nicht mehr von einem fairen Umgang der SORAVIA mit AnlegerInnen auszugehen.

Nachtrag vom 20. März 2024
Nachdem der von SORAVIA ausgesuchte Wunsch-Sachwalter Dr. Jan Markus Plathner von Brinkmann & Partner aus Frankfurt den Fall nicht übernehmen wollte, hat das Amtsgericht Offenbach nun für die SC Finance Four GmbH Rechtsanwalt Dr. Andreas Kleinschmidt von White & Case zum vorläufigen Sachwalter bestellt (Aktenzeichen: 8 IN 170/24). Eine zuletzt von Investmentcheck gestellte Presseanfrage wollte SORAVIA nicht mehr beantworten: „Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir uns aktuell nicht äußern können.“ Dabei gäbe es so viele berechtigte Fragen, auf die die betroffenen 10.000 AnlegerInnen gerne Antworten hätten.


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Kommentare

6 Antworten zu „Insolvenztourismus der SORAVIA“

  1. Avatar von Klaus-Dieter Ehmcke
    Klaus-Dieter Ehmcke

    Was kann ich als Anleger von ProReal 9 und 10 zur verbesserung meiner Situation tun.? Sofortige Rückzahlung beantragen ?? Mt freundlichem Gruss Ehmcke

    1. Avatar von Karin Loipfinger
      Karin Loipfinger

      Weitere Informationen dazu finden Sie bei uns im Anlegerforum. Zur kostenlosen Registrierung gelangen Sie über folgenden Link: https://investmentcheck.community/ucp.php?mode=register

  2. […] im Handelsregister eingetragene Umzug von Hamburg nach Offenbach Insolvenztourismus sei (mehr dazu: Insolvenztourismus der SORAVIA), schob Timm Hartwich in dem Webinar als illusorische Behauptung vom Tisch, denn niemand wolle wohl […]

  3. Avatar von Anja Feld
    Anja Feld

    Ich bin bereits bei Project Metropolen 20 betroffen und jetzt noch bei Pro Real 10.
    Kann ich hier etwas tun?

    1. Avatar von stefan.loipfinger
      stefan.loipfinger

      Das wird leider bitter. Bei den beiden Anlagemodellen wird sich die Frage stellen, welches den größeren Verlust produziert. Meine Schätzung ist, dass vermutlich der ProReal Europa 10 mit jetzt schon eingeräumten 70 Prozent Verlust (wenn die Restrukturierung funktioniert) noch schlimmer ausgehen als der Project Metropolen 20, bei dem ich Verluste von mehr als der Hälfte des Kapitals erwarte.
      Was Sie tun können? Beide Fälle sehr aktiv verfolgen. Derzeit sehe ich noch wenig Möglichkeiten, dass Sie konkret etwas unternehmen können (außer Ihr Finanzberater hat Ihnen erzählt, dass die beiden Investments absolut sicher wären, was angeblich manche getan haben). Ansonsten gilt natürlich immer der Tipp, sich im Anlegerforum https://investmentcheck.community zur registrieren.

  4. Avatar von Anja Feld
    Anja Feld

    Ich fühle mich schlecht beraten und werde ständig von meinem Berater vertröstet.
    Welche Möglichkeiten habe ich?

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