Zweidrittel des Geldes sind weg

KW 11/2024: Kommentar von Stefan Loipfinger
Diesen Blick können ProReal-AnlegerInnen nicht mehr genießen. Mit dem Quartier Tegernsee könnten sie mittelbar über die SC Finance Four bis zu 25 Millionen Euro verlieren.
Diesen Blick können ProReal-AnlegerInnen nicht mehr genießen. Mit dem Quartier Tegernsee könnten sie mittelbar über die SC Finance Four bis zu 25 Millionen Euro verlieren.

Liebe Leserinnen und Leser,

400 FinanzanlagenvermittlerInnen besuchten ein sehr kurzfristig von der One Group organisiertes Webinar. Als Fachjournalist kenne ich einige davon und war mit dabei, als die Kanzlei Semper Fidelis in einer unglaublich arroganten Art erklärte, dass nur der Markt schuld an der Misere bei ProReal Europa 9 und 10 sei. Ich konnte keine Fragen stellen, hätte aber gerne von Timm Hartwich in seinem Holzfällerhemd gehört, ob ProReal Deutschland 7 und 8 in anderen Märkten investiert sind. Dort soll es angeblich nur zu Verzögerungen kommen, Verluste wären nicht zu erwarten. Dafür müssen sich die AnlegerInnen bei ProReal Europa 9 und 10 auf „große Abschläge“ einstellen. Auf Nachfrage stellte er dann im Erfolgsfall „untere bis mittlere zweistellige Beträge“ in Aussicht. Und bitte liebe AnlegerInnen: Seid froh darum vielleicht ein Drittel zurückzubekommen, weil wenn sich niemand kümmern würde, dann wäre halt alles verloren. Ihr wolltet ja unbedingt in hochverzinsliche Zockerpapiere investieren. Da muss sich doch niemand beschweren, wenn es bei diesem schlimmen Markt zu Verlusten kommt. Stopp, Sarkasmus Ende: Selbstverständlich kann es sein, dass SORAVIA „Fresh Money“ braucht, um die angeschobenen Projekte erfolgreich abwickeln zu können. Auch das hat Semper Fidelis am Rande angedeutet.

Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt
Auslöser für dieses makabre Webinar war der diese Woche bekannt gewordene Insolvenzantrag für die SC Finance Four GmbH (SCF4), in der 278 Millionen Euro von ProReal Europa 9 und 10 stecken. Die AnlegerInnen erhalten vermutlich dieses Wochenende erstmals Post, mit der sie darüber informiert werden. Als Sachwalter für die SCF4 hat sich SORAVIA offenbar Dr. Jan Markus Plathner von Brinkmann & Partner aus Frankfurt ausgesucht. Die These von mir, dass der noch immer nicht im Handelsregister eingetragene Umzug von Hamburg nach Offenbach Insolvenztourismus sei (mehr dazu: Insolvenztourismus der SORAVIA), schob Timm Hartwich in dem Webinar als illusorische Behauptung vom Tisch, denn niemand wolle wohl ein „illegales Näheverhältnis zum Richter“ unterstellen. Natürlich tut das niemand, nur irgendwie wäre es wohl umgekehrt illusorisch, dass ein Hamburger Richter einen Frankfurter Verwalter bestellen würde. Zu dem immer wieder betonten Grund einer Suche nach den besten Sanierern würde ich gerne einmal wissen, wann SORAVIA damit begonnen hat (mehr dazu: SORAVIA restrukturiert One Group). Mitte Januar wurden die Umzüge notariell beurkundet. Es wäre nur logisch, wenn bereits 2023 Gespräche geführt wurden. Wer soll dann noch glauben, die Situation wäre überraschend und im Dezember war noch alles unklar. Ich werde weiter daran arbeiten, dass im nächsten Webinar das Presse-Bashing erneut nicht zu kurz kommt. 😉

Rebellion der GroßanlegerInnen
Bei drei PROJECT Spezial-AIF fanden diese Woche Gesellschafterversammlungen in Bamberg statt, während die Publikumsfonds bisher mit schriftlichen Beschlussfassungen abgespeist werden (siehe auch: Von Verschiebung bis Schiebung). Die Geschäftsführer Ralf Cont und Alexander Hanisch machten den AnlegerInnen die Teilnahme nicht gerade leicht. Eingeladen wurde in der kürzest möglichen Frist von zwei Wochen und die Versammlungen fanden Mitte der Woche statt. Trotzdem haben es sich erstaunlich viele ZeichnerInnen mit Investments ab 200.000 Euro nicht nehmen lassen, persönlich nach Bamberg zu fahren oder sich per Vollmacht vertreten zu lassen. Inhaltlich ließen die Vorträge eine Menge zu wünschen übrig. Auf die konkreten Fragen, die schon Tage vorher einzureichen waren, kamen bestenfalls vage Antworten. Nur bei der letzten Versammlung schaffte es PROJECT, den Jahresabschluss 2022 der Beteiligungsgesellschaft vorzulegen, über die die Gelder an die Projektgesellschaften verteilt wurden. Die Feststellung der Jahresabschlüsse und die Entlastung von Komplementärin sowie KVG wurde in allen drei Fonds aufgrund der fehlenden Kooperations- und Auskunftsbereitschaft mit deutlichen Mehrheiten verweigert.

Leere Kassen
Zwei wesentliche Erkenntnisse konnten oder mussten die AnlegerInnen mitnehmen: Bei den Fonds und bei der KVG ist die Liquidität mittlerweile knapp, Verwaltungskosten müssen größtenteils gestundet werden. Möglicherweise ist das der Grund dafür, weshalb die mit dem Verkauf verschiedener Immobilien beauftragten Makler Kaufangebote schon bis zum 27. März vorlegen sollen. Das wird nicht einfach, da jetzt auch Immobilien nicht insolventer Objektgesellschaften im Paket mit Immobilien insolventer Gesellschaften zum Verkauf angeboten werden. Aber ist das im Sinne der Anleger? Es ist fraglich, dass auf diesem Weg für die Immobilien die höchstmöglichen Preise erzielt werden. Außerdem ist der Markt für Käufer von großen Paketen in der aktuellen Marktphase sehr eng. Ein Interessenskonflikt könnte sein, dass Kaufpreise der besseren Objekte zu Gunsten anderer Liegenschaften in einem Paket leiden. Was GläubigerInnen hilft, könnte den Eigenkapital stellenden FondsanlegerInnen schaden.

Ende der Fondslaufzeit zur Unzeit
Wie schwierig der Immobilienmarkt aktuell für Verkäufer ist, das muss ich nicht noch einmal betonen. Trotzdem versucht das Management bei dem Fonds Pl Pro Investor 3 ein Objekt nun ohne Not zu verkaufen. Es geht um 80 Wohnungen in Niedersachsen mit einer Jahresmiete von 450.000 Euro. Per Ende 2022 lag der Verkehrswert laut Jahresbericht noch bei 8,35 Millionen Euro, was im Vergleich zum Vorjahr eine kleine Wertsteigerung darstellte. Jetzt wird es von einem Makler für 5,95 Millionen Euro angeboten. Da Ende 2022 noch 3,6 Millionen Euro Fremdfinanzierung auf dem Objekt lasteten, bedeutet der Verkauf eine Halbierung des anteiligen Nettoinventarwerts. Nicht auszudenken, wie schlimm es nach Kosten und bei einem Verkauf unter dem Angebotspreis des Maklers ausgeht.

Erneute Abstimmung über KVG-Austausch
Ein Anleger mobilisiert deshalb nun MitinvestorInnen, um eine außerordentliche Gesellschafterversammlung in Präsenz einzufordern. Es soll eine Verlängerung der Fondslaufzeit um zwei Jahre bis Ende 2026 beschlossen werden. Das ist laut Gesellschaftervertrag mit einfacher Mehrheit möglich. Ein nachvollziehbares Vorhaben, denn niemand verkauft im aktuellen Markt ohne Not. Zumal der 2017 aufgelegte Fonds trotz einiger toller Immobilienjahre bis Ende 2022 noch nicht einmal seine Kosten reinverdiente (mehr dazu: Amateurhafte PI Pro Investor). Mit dem Verkauf einen Verlust zu realisieren, zieht den Fonds noch weiter ins Minus. Damit macht auch Punkt zwei der Tagesordnung Sinn, wonach der mit fragwürdigem Abstimmungsverhalten im Vorjahr herbeigeführte Wechsel der Kapitalverwaltungsgesellschaft revidiert werden soll. Damals ließ sich die Treuhänderin das Recht einräumen, ohne konkrete Weisung das Stimmrecht nach eigenem Ermessen auszuüben. Im Verkaufsprospekt stand dazu allerdings etwas anderes: „Werden von einem Anleger keine Weisungen erteilt, ist die Treuhänderin verpflichtet, insoweit mit ‚Enthaltung‘ zu stimmen.“ Ich finde die erneute Abstimmung richtig, auch wenn aus den Abstimmungsprotokollen nicht eindeutig erkennbar ist, wie viele Stimmen der Treuhänder ohne konkrete Weisung ausübte.

Bleiben Sie aktiv.
Ihr
Stefan Loipfinger


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Kommentare

3 Antworten zu „Zweidrittel des Geldes sind weg“

  1. Avatar von Wolf Junge
    Wolf Junge

    Wir sind seit Mitte 2019 mit immerhin 200 T€ investiert im Fonds Metropolen 18. Mit dem Modell 6 % p.a. Auszahlungen. Diese wurden monatlich mit 1.000 € pünktlich bis 7/2023 überwiesen.
    Ist dieser Fonds ein AIF-Spezialfonds?
    Wie können wir die 200 T€ retten?
    Gibt es einen Kreis von Kommanditisten in diesem Fonds, der groß genug ist, um das notwendige Quorum zu erreichen für die Forderung nach der Einberufung einer a. o. Gesellschafterversammlung in Präsenz?
    Müssen wir mit der Forderung nach Rückzahlung aller bisheriger Auszahlungen rechnen?

    1. Avatar von stefan.loipfinger
      stefan.loipfinger

      Der PROJECT Metropolen 18 ist ein Publikums-AIF, auch wenn Sie als einer der wenigen dort investierten AnlegerInnen sogar 200 T€ anlegten. Die Einberufung außerordentlicher Gesellschafterversammlungen wäre m.E. ein guter Schritt, um etwas mehr Transparenz herzustellen. Ich habe mittlerweile mit mehreren Personen gesprochen, die vergangene Woche auf den Gesellschafterversammlungen der Special-AIFs waren. Sie berichteten allerdings, dass das dort anwesende Fondsmanagement bei fast allen Fragen ausführte, dass man das nicht wisse. Ein Artmutszeugnis, das den Mehrwert in Grenzen hielt. Andererseits gab es in einigen Punkten offenbar doch einge Informationen, die allerdings mehr Anlass zur Sorge gaben, als dass sie beruhigen könnten.

  2. […] Er bestätigte also die bereits vergangene Woche spekulativ genannte Verlustquote von 70 Prozent (Zweidrittel des Geldes sind weg). Außerdem teilte Winter mit, er möchte einen Anlegerbeirat etablieren, um „eine optimale und […]

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