One Group stoppt Zinszahlungen bei ProReal-Angeboten

KW 51/2023: Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,

die „Stade Zeit“ war bei mir gefühlt in 30 Jahren noch nie ruhig. Diese Woche kam dann zum krönenden Adventsabschluss die Meldung zu Problemen der One Group. Diese teilte ihren Finanzvermittlern mit, bei vier nachrangigen Schuldverschreibungen die Zinsen für das 4. Quartal „auszusetzen“. Mit dieser Formulierung versucht das Emissionshaus meines Erachtens ein Problem zu verharmlosen. Denn es geht hier nicht um Ausschüttungen, die aus Vorsichtsüberlegungen vorerst einbehalten werden könnten. Es geht um Zinsen, die grundsätzlich an einem festen Termin zu zahlen sind, außer die jeweilige Emittentin beruft sich auf die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre. Anders ausgedrückt bedeutet ein qualifizierter Rangrücktritt, dass nicht bezahlt werden muss, wenn bei Zahlung ein Insolvenzgrund vorliegen würde. Das klingt natürlich ganz anders, als die „teilweise Zinsaussetzung im Rahmen ausführlicher Risikoanalyse“. Zumal die Summe der zu zahlenden Zinsen für die SORAVIA-Gruppe Kleingeld sein müsste. Ende 2022 waren knapp 420 Millionen Euro in diesen vier ProReal-Emissionen Deutschland und Europa 7 bis 10 eingezahlt. Grob 1,5 Prozent Zinsen für das 4. Quartal wären also rund sechs Millionen Euro Zinsen. Allein die Personalkosten im Konzern der SORAVIA Investment Holding AG lagen 2022 im Durchschnitt bei knapp zehn Millionen Euro – pro Monat! Die Konzernbilanzsumme per 31. Dezember 2022 lag bei 1,4 Milliarden Euro. Sorry, aber nicht einmal ein paar Tage vor Weihnachten kann ich glauben, dass ein Unternehmen dieser Größenordnung wegen ein paar Quartalszinsen eine bisher makellose Leistungsbilanz beschmutzt. Ich kann nicht glauben, was Malte Thies und Oliver Quentin von der One Group schrieben. Denn zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit soll eine umfassende Risikoanalyse des Portfolios durchgeführt werden, um „gemeinsam Marktchancen, die sich gerade durch die aktuelle angespannte Bewertungslage ergeben, in Zukunft effizient nutzen zu können“.

PROJECT Investment AG erstattet Anzeige
Es ist noch nicht lange her, da hat mir die PROJECT-Gruppe auf eine Anfrage zu deren Controlling geantwortet: „Die Risikomanagementsysteme auf Ebene der Objektgesellschaften betreffen regulierte und nicht regulierte Fonds.“ Mir ging es bei der konkret gestellten Frage zwar eigentlich darum, ob es diesbezüglich einen Unterschied zwischen den als AIF zugelassenen Fonds und den früher aufgelegten Angeboten gibt. Jetzt stellt sich allerdings mehr die Frage, ob es überhaupt ein funktionierendes Controlling auf Ebene der Immobilienentwicklungsgesellschaften gab. Denn wie die Kapitalverwaltungsgesellschaft PROJECT Investment AG in einer viele Fragen aufwerfenden Anlegerinformation schrieb, habe man Anzeige wegen unzulässigerweise gestellten Rechnungen über Nachunternehmerleistungen erstattet. Beschuldigt werden Mitarbeiter der PROJECT Immobilien Management GmbH, die im Frühjahr 2023 sogar Absprachen dazu getroffen haben sollen: „Weder der Vorstand noch beteiligte Mitarbeiter im Fondsmanagement oder dem Fondscontrolling der KVG hatten Kenntnis derartiger Vorfälle in der PROJECT Immobilien-Gruppe.“ Keine Kenntnis ist das eine, aber ein Controlling, das von einer angeblich illegalen Absprache nichts merkte, ist etwas ganz anderes.

UDI GmbH zu Schadensersatz verurteilt
Um vor Weihnachten wenigstens eine gute Nachricht zu verkünden, berichte ich noch über ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden. Nach den in der letzten Woche bekannt gewordenen Beschlüssen gegen den UDI-Gründer durfte ich diese Woche eine Verurteilung der UDI GmbH lesen. Auf 33 Seiten hat der Senat das wirklichkeitsfremde Urteil des Landgerichts Leipzig zerlegt und den Geschädigten Schadensersatz in Zusammenhang mit einer fehlerhaften Anlagevermittlung zugesprochen. UDI hat die höchstrichterlichen Aufklärungspflichten verletzt, weil die geschuldete Plausibilitätsprüfung nicht stattfand. Der Senat sah die Wirkung der qualifizierten Nachrangabrede im Verkaufsprospekt nicht schlüssig erklärt. Der Anlagevermittlerin wird in dem von Bender & Pfitzmann erstrittenen Urteil vorgeworfen, sie hätte mit zumutbarem Aufwand die nicht ausreichende Aufklärung erkennen können: „Im Ergebnis gewährleistet das Gesamtbild des Verkaufsprospekts auch in der Zusammenschau mit den weiter überlassenen Begleitunterlagen aufgrund der identifizierten Unterrichtungsdefizite – erst Recht bei einer gesamthaften Betrachtung der festgestellten Darstellungsmängel – keine vollständige, richtige und verständliche Anlegeraufklärung. Mit den im Zuge des Zeichnungsgeschehens zugänglich gemachten Informationen konnte die Beklagte ihre Aufklärungspflichten aus dem zustande gekommenen Vermittlungsvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen, sodass ein haftungsbegründender Pflichtverstoß im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben ist.“ Mich überzeugt dieses Urteil, weil ich täglich die Verharmlosung von qualifizierten Nachrangabreden erlebe. Die UDI GmbH als Vermittlerin hier in die Haftung zu nehmen, ist also nur folgerichtig.

Damit beende ich nun meinen letzten Kommentar in diesem Jahr. Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und viel Erfolg bei Ihren Geldanlagen in 2024.

Bleiben Sie gesund.

Ihr
Stefan Loipfinger

P.S.: Meinen nächsten Wochenkommentar wird es im neuen Jahr am Freitag, den 12. Januar 2024 geben.


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Kommentare

5 Antworten zu „One Group stoppt Zinszahlungen bei ProReal-Angeboten“

  1. Avatar von lucky
    lucky

    Besten Dank für Ihre Leistung und Informationen in diesem Jahrund alles Gute für das neue Jahr 2024.
    Ich bin mir ganz sicher, daß Ihnen die Arbeit nicht ausgehen wird.

  2. Avatar von DR. THEISSEN GROUP

    Der „Thies“ kommend von der Nordcapital , lieber Stefan, war mir immer schon sehr suspekt . Unsere Chemie, schon bei der Nordcapital unter Erck Rickmers passte gar nicht . Und das Gerichtsurteil für UDI, wird weitere Klagen anfeuern! Ja, Plausibilität war bei vielen AB ein rotes Buch mit sieben Siegeln! Wenn der Kunde den AB daraufhin befragte, zweigte der AB auf ein anderes Thema ab !! Alte Masche ! Großes Thema war auch : Negatives Kapitalkonto konnten auch die meisten AB nicht erklären !

  3. Avatar von Peter Rettenbeck
    Peter Rettenbeck

    Herzlichen Dank für den „Investmentcheck“.
    Hier kann man viel lernen, auch von den Fällen, von denen man (gottseidank) nicht direkt betroffen ist.
    Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr!
    Peter Rettenbeck

  4. Avatar von Andreas Czasch
    Andreas Czasch

    Ja finde ich nicht gut vor Weihnachten Pro Real von der Geschäftsführung die Zinzahlung zu verweigern .Normal sollten sich alle Anleger fragen….falls keine Insolvenz beantragt wird ,je wieder dort zu investieren definitiv,!!

  5. Avatar von Daniel Kowalke
    Daniel Kowalke

    Ich freue mich immer über die Wochenkommentare. Gibt auf viel aufschlussreiches zu lernen. Ruhige Festage

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