Fehlgriffe bei der Fundingauswahl

KW 23/2024: Kommentar von Stefan Loipfinger
Mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, Auszüge aus dem EVDI-Exposé „Atelier-Wohnungen an der Burg II“
Mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, Auszüge aus dem EVDI-Exposé „Atelier-Wohnungen an der Burg II“

Liebe Leserinnen und Leser,

kürzlich fand eine mündliche Verhandlung gegen Engel & Völkers Digital Invest beim Landgericht Berlin wegen des gescheiterten Crowdfunding-Projekts „Atelier-Wohnungen an der Burg II“ statt. Die Verteidigung der Schwarmfinanzierungsplattform wirkte auf mich fast schizophren. Plakativ wird AnlegerInnen immer vorgegaukelt, man würde angebotene Projekte genau analysieren: „Das Finanzierungsprojekt wird wie alle unsere Projekte in einem eigens von Engel & Völkers Digital Invest für die Finanzierung von Bauvorhaben und Grundstücken entwickelten, einzigartigen Konzept mit einer Vielzahl an starken Partnern analysiert.“ Tatsächlich passiert ist das aber nicht. Die EVDI-Anwälte beriefen sich immer wieder auf einen anderen Hinweis in den Verkaufsunterlagen, wonach der Plattformbetreiber die Bonität des Projektinhabers nicht überprüft. Diese Einschränkung ist für mich kein Widerspruch, weil plakativ sogar mit der Analyse des Projektentwicklers durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars geworben wird.

Blindes Vertrauen von EVDI offenbart eine hohe Unprofessionalität
Fast noch skurriler war die Diskussion in Bezug auf einen entscheidenden Hinweis von EVDI in den Verkaufsunterlagen, wonach die Gesamtfinanzierung des Bauvorhabens durch ein Rahmendarlehen einer Bank gesichert sei. Zum Zeitpunkt des Fundings im Juli 2022 gab es das Rahmendarlehen allerdings längst nicht mehr, weil die Bank dieses schon Monate vorher gekündigt hatte. In der Realität führte das dazu, dass die Bank gut eine Woche (!) nach dem Funding einen Insolvenzantrag gegen die Emittentin stellte. EVDI führt zu seiner Verteidigung an, dass man die Kiefer Vermögensverwaltung nach dem Rahmendarlehen fragte und diese ein solches bestätigte. Schwer vorstellbar, dass EVDI und die angeblich mit einer Analyse des Projektentwicklers beauftragte Mazars derart naiv agieren. Es ist unbegreiflich, dass eine börsennotierte Crowdfunding-Plattform derartig dreist versucht, mit umfangreichen Analysen AnlegerInnen in die von ihr ausgewählten Projekte zu locken, um dann bei Problemen die Analyse als wertlos darzustellen. Wer will das glauben, wenn die AnlegerInnen im Juli 2022 mit ihrem Geld eine Zwischenfinanzierung von EVDI ablösten. Angesichts dieser Hintergründe sollten vielleicht auch die Aktionäre fragen, ob sich EVDI wirklich derartig unprofessionell blind auf die Angaben der Projektentwickler verlässt.

KapMuG gegen Exporo
Nachdem über das Anlegerforum Investmentcheck.Community bei dem Crowdfunding „Modernes Wohnen am Nymphenburger Kanal II“ das erste KapMuG-Verfahren gegen EV Digital Invest organisiert werden konnte, gibt es nun einen zweiten Fall: Rechtsanwalt Tobias Pielsticker bereitet einen KapMuG-Antrag gegen Exporo für das gescheiterte Funding „Am Hamburger Stadtpark“ vor. Im Forum sind mittlerweile so viele AnlegerInnen vertreten, dass dieses gemeinsame Vorgehen Sinn macht. Mindestens zehn KlägerInnen reichen Klage ein. Nach Eröffnung eines KapMuG-Verfahrens durch das OLG können alle anderen AnlegerInnen kostengünstig und verjährungshemmend dem Verfahren beitreten. Über das Forum wird eine einfache und zeitsparende Kommunikation zwischen dem Anwalt und den zahlreichen AnlegerInnen ermöglicht. Gerade die Verjährungshemmung ist angesichts der Verschleppungstaktik durch Exporo ein wichtiges Argument.

Insolvente Wohninvest Holding als Exporo-Großproblem
Und wenn wir gedanklich schon bei Exporo sind: Mit den Insolvenzen bei der Wohninvest-Gruppe hat die Crowdfunding-Plattform einen sehr großen Problemfall an der Backe. Mehr als zehn laufende Schwarmfinanzierungen sind mir bekannt, die jeweils zwischen 1,5 und drei Millionen Euro sammelten. Rechtsanwalt Ilkin Bananyarli von der Kanzlei Pluta wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und teilte auf Anfrage mit, dass neben der Wohninvest Holding GmbH bisher bei vier weiteren Gesellschaften vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet wurden. Auch hier gibt es im Forum Investmentcheck.Community bereits erste Überlegungen von AnlegerInnen sich zu organisieren, denn die als Wertpapiere konzipierten Schwarmfinanzierungen sind natürlich massiv ausfallgefährdet. Bei den unverbrieften tokenbasierten nachrangigen Schuldverschreibungen sind Tochtergesellschaften der Exporo AG als Emittentinnen aufgetreten, deren Geschäftszweck die Verwaltung von Darlehensforderungen gegen verschiedene Wohninvest-Gesellschaften ist. Technisch läuft die Strukturierung über eine Ethereum-Blockchain mit Tangany als Kryptoverwahrer. Hier können sich Anwältinnen und Anwälte also auf juristischem Neuland austoben.

Leonidas: CAV geht in den Angriffsmodus
Seit ein paar Monaten arbeitet die bei fast allen Leonidas-Fonds nun als Geschäftsführung eingesetzte CAV an der Aufarbeitung vielfältiger Probleme. Thomas Hartauer und Hubertus Päffgen äußerten sich schon häufiger mit großem Entsetzen über den Zustand der Fonds und die Arbeit ihrer Vorgänger. Doch während bisher die Kritik eher Details betraf, enthält eine vor ein paar Tagen verschickte Anlegerinformation nun sehr weitreichende Kritikpunkte. In einem Zwischenfazit mit Stand Juni wird großes Geschütz aufgefahren: „Es bestehen unseres Erachtens unbedingte Zweifel, dass die aus der Sphäre der HTB-Gruppe stammenden Personen redliche Absichten hatten, das Beste für die Anleger zu tun. Pflichtgemäßes Geschäftsführungsverhalten hätte nach unserer Überzeugung ganz anders aussehen müssen.“ Ich habe Peter Lesniczak, Wolfgang Wiesmann und ein paar andere Personen angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Geantwortet hat dann der neue Geschäftsführer Uwe Bröcker-Meub, der eine vorherige Anfrage von mir zum Geschäftsführerwechsel nicht beantwortete. In einer dreiseitigen Stellungnahme weist er die Vorwürfe als haltlos zurück und stellt umgekehrt heftige Vorwürfe in den Raum: „Die Geschäftsführung durch die von der Re:Fonds GmbH gehalten Komplementärinnen der Leonidas Fondsgesellschaften erfolgte jeweils nach bestem Wissen und Gewissen und in kaufmännisch einwandfreier Weise sowie unter Berücksichtigung sämtlicher Anlegerinteressen. Aktuell mehren sich allerdings bereits die Indizien, dass die aktuelle Geschäftsführung unter Herrn Thomas Hartauer und Herrn Hubertus Päffgen von der CAV Partners AG nicht im Anlegerinteresse handelt. Hierzu werden Feststellungen zu treffen sein.“ Geradezu weltfremd verbietet mir der 67-jährige Rechtsanwalt jede Kürzung oder anderweitige Veränderung der sehr umfangreichen Stellungnahme und droht juristische Schritte im Falle inhaltsverfälschender Kürzungen an. Wer alle meine Fragen und die vollständigen Antworten von Re:Fonds lesen möchte, kann dies nach kostenloser Registrierung im Forum Investmentcheck.Community tun. Dort findet sich auch die Mail von Hartauer und Päffgen, so dass jeder Interessierte die konkreten Fakten in den jeweiligen Schreiben für sich individuell werten kann.

Bleiben Sie gradlinig
Ihr
Stefan Loipfinger


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Kommentare

2 Antworten zu „Fehlgriffe bei der Fundingauswahl“

  1. Avatar von Borst Ernst
    Borst Ernst

    Sehr geehrter Herr Loipfinger

    gespannt warte ich immer auf Ihre Kommentare insbesondere was die Gruppe HTB angeht.
    ich bin an diesen Leonitas Fonds mehrfach beteiligt.
    Mich interessiert der Fortgang dieser Fonds und wie sieht es mit Geldzahlungen an die Anleger aus.
    ich freue mich auf Ihre Antwort

    1. Avatar von Karin Loipfinger
      Karin Loipfinger

      Weitere Informationen dazu finden Sie bei uns im Anlegerforum. Zur kostenlosen Registrierung gelangen Sie über folgenden Link: https://investmentcheck.community/ucp.php?mode=register

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