Zweiter Akt bei den Project-Insolvenzen

KW 43/2023: Kommentar von Stefan Loipfinger
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht der Freund der Project-FondsanlegerInnen
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht der Freund der Project-FondsanlegerInnen

Liebe Leserinnen und Leser,

Ende Oktober naht. Volker Böhm von Schultze & Braun muss deshalb bei den ersten Insolvenzen der Project-Gruppe seine Gutachten beim Gericht abliefern. Manches wird dann klarer sein. Ob das allerdings gute Nachrichten für die AnlegerInnen sein werden, wage ich zu bezweifeln. Ich frage mich ohnehin, welche Rolle der vorläufige Insolvenzverwalter am Ende aus Sicht der Eigenkapital gebenden Project-Fonds spielen wird. Es liegt immerhin ein erheblicher Interessenskonflikt vor, weil Böhm mit den bisherigen Insolvenzen die Möglichkeit hätte, weitere Aufträge für sich in Form von weiteren Insolvenzen zu befördern. Es geht um Millionenhonorare. Und das, was ich bisher beobachte, begeistert mich nicht. Böhm verbreitete Anfang September die Hoffnung, dass man mit Hochdruck konkrete Vertragsverhandlungen mit Unternehmen über den Weiterbau der Immobilienentwicklungen führe. Bis heute wissen wir nur von Mauss Bau, der drei Immobilien in Nürnberg übernommen hat. Ich habe Schätzungen gehört, was das für die Fonds bedeutet: Ostendstraße: 2,9 Millionen Euro Verlust – Maximilianstraße: 3,8 Millionen Euro Verlust – Bayreuther Straße: 7 Millionen Euro Verlust. Für Böhm ein Erfolg, für die AnlegerInnen eine Katastrophe. Ich frage mich echt, warum sich nicht längst eine Interessengemeinschaft der Project-AnlegerInnen entwickelt hat. Was tun eigentlich die vielen FinanzanlagenvermittlerInnen, um die Interessen Ihrer AnlegerInnen zu vertreten? Und die BaFin sollte auch den kollektiven Verbraucherschutzauftrag ernst nehmen. Übrigens: Mit Ende Oktober rechne ich außerdem damit, dass weitere Insolvenzanträge für Immobilienentwicklungsgesellschaften kommen werden. Böhm wird es freuen.

Keine Freude hatten diese Woche die 800 AnlegerInnen von Leonidas XVIII. Auf einer Gesellschafterversammlung sollte über den Austausch der Komplementärgesellschaft und somit der Fondsgeschäftsführung abgestimmt werden. Die fidu Treuhand von Ralf Schamberger und Marius Schwarz, geborener Grieseler stellte sich aber quer und akzeptierte die Vollmachten von mehr als der Hälfte der AnlegerInnen nicht. Man wolle den Fonds nicht von der Re:Fonds (vormals: HTB Renewable) als bisherige Geschäftsführung auf die CAV Partner übertragen. Ein paar Stunden vorher hat ein anderer Treuhänder aber die Vollmachten akzeptiert und die entsprechenden Beschlüsse für die Leonidas-Fonds IV und X konnten gefasst werden. Unabhängig von der völlig indiskutablen Blockade des eindeutigen Willens der AnlegerInnen frage ich mich, wieso die Kalchreuther Truppe sich so für die Bremer Anbieterin einsetzt. Erst vor wenigen Wochen hat Jürgen Braatz als PR-Mann eine Pressemitteilung verteilt, in der nach den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten in Frankreich weitere Entscheidungen über Schadensersatzklagen anstehen würden. Hm, wenn mich jemand ernsthaft auf Millionen verklagt, dann würde ich ihm nicht auch noch helfen, ein Mandat zu behalten. Mir gibt das zu denken.

Springen wir zum Crowdinvesting: Die Plattform Dagobertinvest veröffentlicht gerne Interviews mit SchwarmfinanziererInnen, um die Qualität der Plattform und die Attraktivität von Crowdinvesting zu untermauern. Im Forum wird von erfahrenen AnlegerInnen immer wieder der Verdacht geäußert, dass hier bewusst eher unerfahrene InvestorInnen ausgewählt werden, bei denen meist nach Jahren auftauchende Probleme mit Zins- und Rückzahlungen noch die Ausnahme sind. Deshalb habe ich im Forum angeboten, ähnliche Interviews mit ähnlichen Fragen mit langjährig erfahrenen Dagobert-KundInnen zu führen. Wer also ehrliche und aussagekräftige Interviews zu Dagobertinvest lesen will, der findet diese ohne Registrierung unter Investorenstimmen zu DagobertInvest.

Zum Schluss möchte ich noch kurz über die Grenze nach Österreich blicken. Dort hat diese Woche der offene Immobilienfonds LLB Semper Real Estate die Aussetzung der Anteilsrücknahme verkündet. Das Management des 820 Millionen Euro schweren Fonds sah sich „aufgrund des hohen Rückgangs der liquiden Mittel in Folge von Anteilsscheinrückgaben in den letzten Wochen infolge des aktuell allgemein herausfordernden Umfeldes an den Immobilienmärkten zu diesem Schritt gezwungen“. Tja, ob da nicht auch in Deutschland AnlegerInnen auf ähnliche Ideen kommen? Die entscheidende Frage ist ja, wie sich die jahrelang nach oben geschriebenen Immobilienwerte in den nächsten ein, zwei Jahren entwickeln werden. Klar nehmen die in Deutschland schon länger geltenden Fristen für Anteilsrückgaben den Druck etwas aus dem Kessel. Aber wird diese dadurch nur leicht entspannte Laufzeitenspreizung schon reichen, um AnlegerInnen mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten auszubremsen? Ich persönlich war damals bei der Reformierung für das Schweizer Modell, das Liquidität durch einen Börsenhandel sicherstellt. Die reine NAV-Betrachtung mit Kündigungsfrist war mir für einen Krisenfall nicht sicher genug. Aber wir werden es ja jetzt erleben, ob das neue System die erste Bewährungsprobe erfolgreich übersteht.

Bleiben Sie aufrecht.

Ihr
Stefan Loipfinger


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