U-Haft für Crowdfunder

28/2023: Wöchentlicher Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,
derzeit laufen einige Klagen im Exporo-Skandalfall „Am Hamburger Stadtpark“. Nach meiner Wahrnehmung spielt Deutschlands führende Crowdplattform auf Zeit. Anders lässt sich wohl auch nicht das neueste Versäumnisurteil des Landgerichts Hamburg erklären, das diese Woche auf meinem Schreibtisch landete. Die Exporo AG wurde verurteilt, gut 7.000 Euro an zwei Kläger zu bezahlen. Rechtsanwalt Tobias Pielsticker, der hier zahlreiche AnlegerInnen vertritt, konnte zu den Hintergründen nicht viel sagen, da er zusammen mit den MandantInnen, die die anfänglichen Vergleichsangebote annahmen, eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieb. Speziell zu dem Versäumnisurteil ergänzte er, dass Exporo am 9. Mai zwar Einspruch einlegte, diesen bisher aber nicht begründete. Das stützt meine These des „Zeitspiels“. Aber irgendwann wird es öffentliche mündliche Verhandlungen geben, zu denen ich gerne bis nach Hamburg reise.

Viel zu tun hat Pielsticker auch mit einem anderen Funding, zu dem die im Forum Investmentcheck.Community zusammengekommene Gruppe von AnlegerInnen eine erste Klage vorbereitet. Ich habe im Januar bereits über den nur wenige Tage nach dem Crowdfunding von der Bank eingereichten Insolvenzantrag berichtet (AnlegerInnen zürnen der Engel & Völkers Digital Invest). Diese Woche konnte ich den Kontakt zu einem Reservierungskäufer und einer Anwohnerin herstellen. Mit hunderten von Fotos und Videos hat die Anwohnerin die „Wahnsinnsbaustelle“ dokumentiert. Damit dürften die Chancen enorm steigen, Aufklärungsfehler in den Fundingunterlagen zu den Atelier-Wohnungen an der Burg II nachzuweisen. Ich bin gespannt, wie EVDI vor Gericht den im Juli 2022 angeblich vorgelegenen „fortgeschrittenen Bautenstand“ erklärt.

Erster Crowdfunder sitzt in einer Berliner JVA in U-Haft
Erster Crowdfunder sitzt in einer Berliner JVA in U-Haft

Bleiben wir noch beim Thema Crowdfunding, zum dem es einen Erfolg für das Gerechtigkeitsempfinden von mehreren Tausend geschädigten AnlegerInnen gibt. Wie mir die Berliner Generalstaatsanwaltschaft bestätigte, wurde Sven H. wegen des Tatvorwurfs des gewerbsmäßigen Betruges und dem Verdacht der Insolvenzverschleppung in Untersuchungshaft genommen. Betroffen sind Fundings von YNTO Deutschland, ROCKETS und der FFAV Frankfurter Finanzanlagenvermittlung. Diese Plattformen haben für Firmen mit Namen wie Q-Trading oder Krondach & Steinmeister Geld gesammelt. Ganz oben im Organigramm findet sich eine im Schweizer Zug angesiedelte Pierre Avoi AG. Die YNTO Deutschland war einige Zeit bei der Effecta als vertraglich gebundener Vermittler registriert. H. fungierte hier zuletzt als Geschäftsführer. Rund 200 AnlegerInnen sind im Forum organisiert und erstatteten eine ganze Reihe von Anzeigen. Sie sehen es als Erfolg ihrer Bemühungen, warum H. nun hinter Gittern sitzt. Ich auch, denn die Spielchen von Sitzwechseln zu irgendwelchen Bürodienstleistern von Berlin bis Zossen sollten amtliche Zustellungen verhindern. Auch wenn selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, freue ich mich über die Untersuchungshaft. Denn die von AnlegerInnen im Forum zusammengetragenen Fakten zu den Fundings sind zumindest moralisch erdrückend.

Bleiben Sie tatenreich

Ihr
Stefan Loipfinger


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