Alles eine Frage der Bewertung

KW 02/2024: Kommentar von Stefan Loipfinger
Eine gläserne Tür – PROJECT Investment verweigert eine Aussprache mit AnlegerInnen
Eine gläserne Tür – PROJECT Investment verweigert eine Aussprache mit AnlegerInnen

Liebe Leserinnen und Leser,

als erstes möchte ich Ihnen noch alles Gute für das neue Jahr 2024 wünschen. Es wird sehr herausfordernd. Dazu muss ich keine Glaskugel bemühen und vermutlich wird mir jeder Nicht-Zweckoptimist Recht geben. Positiv wäre, wenn die Immobilienmärkte gegen Ende des Jahres einen Boden finden, von dem aus es dann langsam wieder aufwärts gehen kann. Das mag wenig konkret erscheinen, doch auch im Konkreten gehen die Einschätzungen ja weit auseinander.

PROJECT: 22 Prozent Abschreibungen im Jahr 2022
Unterschiedliche Einschätzungen von Gutachtern sind sehr gut an den Geschäftsberichten der PROJECT-Fonds für das Jahr 2022 zu erkennen. Ich habe die Daten zu weit über 100 Immobilienentwicklungsgesellschaften ausgewertet und mit den Zahlen der fünf Jahre zuvor verglichen. Es ist schon erstaunlich, bei wie vielen Projektentwicklungen die Planungen verfehlt wurden. Darum geht es mir aber heute nicht. Ich möchte die 2022 entstandenen Wertverluste bei den Immobilienbewertungen ansprechen. Um 21,9 Prozent wurden die Assets der PROJECT-Fonds ab der Nummer 11 (AIFs) abgewertet. Das sind die nicht realisierten Wertveränderungen, die sich allein bei diesen Fonds auf 123 Millionen Euro summierten. Dagegen wirken die realisierten Ergebnisse mit weiteren 14 Millionen Euro Minus geradezu unbedeutend. Nicht berücksichtigt sind die die älteren Fonds bis zur Nummer 10 und die institutionellen Angebote, für die noch keine Zahlen vorliegen. Und ebenfalls nicht berücksichtigt sind die Auswirkungen aus den Insolvenzen ab August 2023. Das wird bitter für die AnlegerInnen, die schon jetzt durchgehend auf Verlusten sitzen. Wie im Anlegerforum Investmentcheck.community pro Fonds im Detail nachlesbar ist, reichten die tollen Immobilienjahre der letzten Dekade nicht, um für die AIF-AnlegerInnen Gewinne zu erwirtschaften. Da kann man schon fast verstehen, dass die PROJECT Investment als Kapitalverwaltungsgesellschaft keine Lust auf eine Aussprache mit den AnlegerInnen hat. In Ordnung ist es allerdings nicht, wenn sie sich die Entlastungen für 2022 im Rahmen von schriftlichen Beschlussfassungen holen wollen. Hinzu kommt, dass der Versand kurz vor Weihnachten ein gesellschaftsvertragliches Recht auf Einforderung von Präsenzveranstaltungen praktisch aushebelte. Und die Krönung: Nicht abgegebene Stimmen werden von der Treuhandkommanditistin PW AG als Zustimmung ausgeübt. Wilder Westen bei einer BaFin-beaufsichtigten KVG.

SORAVIA: 79 Millionen Euro Bewertungsgewinn im Jahr 2022
Über die Nichtzahlung von Zinsen bei verschiedenen ProReal-Angeboten der One Group habe ich ausführlich noch im alten Jahr berichtet. Hintergrund ist, dass die SORAVIA-Gruppe ihre Zinsen nicht an Emittentinnen zahlt und sich diese deshalb „in Zahlungsverzug gegenüber den Anlegern der Vermögensanlage“ befinden. Wie ich aber nun erfahren habe, gibt es neben den vier bekannten Publikumsangeboten noch eine Reihe weiterer Private-Placements, die ebenfalls nicht pünktlich zahlen. Dort soll es nur um ein paar Tage gehen, wie Malte Thies und Oliver Quentin den betroffenen AnlegerInnen mitteilten. Auf Nachfrage erklärte die One Group: „Eine mögliche leichte Verzögerung bei der Auszahlung dieser Zinsen ist den Feiertagen, dem Jahreswechsel und dem außerplanmäßigen administrativen Mehraufwand, der derzeit im Konzernverbund herrscht, geschuldet.“ Welche Produkte genau betroffen sind und einiges Mehr dazu finden Sie im Anlegerforum Investmentcheck.community. Um aber auf die Bewertungsfrage zurückzukommen: Obwohl die Geschäftsfelder von PROJECT und SORAVIA Ähnlichkeiten aufweisen, haben die Gutachter bei SORAVIA 2022 noch 78,6 Millionen Euro Wertsteigerung für die Finanzimmobilien attestiert. Waren die Wiener ProjektentwicklerInnen wirklich so viel besser bei der Objektauswahl? Wir werden es bald erfahren.

TSO: Kreditverkauf weit unter nominal
Diese völlig unterschiedlichen Immobilienbewertungen zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, welche „Brille“ sich ein Bewerter aufsetzte. Bei TSO, dem Fondsanbieter für US-Immobilien hat die finanzierende Bank offenbar die rosafarbene Brille weggelegt und ein Darlehen des Fonds Lenox-Park über 98 Millionen US-Dollar an eine Investmentgesellschaft verkauft. Jetzt ist mir nicht bekannt, zu welchem Preis der Deal stattfand, aber die aufkaufende Investmentgesellschaft hat wiederum TSO die Darlehen für 79,5 Millionen US-Dollar angeboten. Mich hätte natürlich interessiert, warum die finanzierende Bank überhaupt weit unter Nominal verkaufte. Das veränderte Zinsumfeld könnte ein Grund gewesen sein, teilte Elke Strothmann als PR-Beauftragte für TSO mit. Eine Verletzung marktüblicher Covenants sei es nicht gewesen. Das will ich natürlich glauben, auch wenn ich mich schon frage, warum TSO bei anderen Fonds die Quartalsausschüttungen radikal ausfallen lässt, um Sondertilgungen vornehmen zu können.

Bleiben Sie auf der Hut.

Ihr
Stefan Loipfinger

P.S.: Alle AnlegerInnen der PROJECT-Fonds, die derzeit im schriftlichen Umlaufverfahren zur Abstimmung aufgefordert sind wird von verschiedenen Anwaltskanzleien empfohlen, gegen die Beschüsse zu stimmen. Sie bitten darum, die Weisungszettel unbedingt bis zum 15. Januar zurückzusenden, da ansonsten die Treuhänderin den Beschlüssen zustimmt.


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