Prozesskostenrisiko wird zur Chance

31/2023: Wöchentlicher Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,
diese Woche durfte ich einen Schriftsatz der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek lesen, die von Exporo zur Verteidigung gegen Klagen zum Problemfunding „Am Hamburger Stadtpark“ beauftragt wurden. Für mich kommt es einer Bankrotterklärung gleich, wenn die Anwälte schreiben, dass Exporo „die ihr zur Verfügung gestellten Informationen nicht auf deren Richtigkeit oder Vollständigkeit hin überprüft“ habe. Wie passt das zur „professionellen Projektanalyse“, die Exporo bei neuen Schwarmfinanzierungen bewirbt? Auch durch das Klassen-Modell von Exporo, das ähnlich einem Rating den Hamburger Stadtpark mit einem „A“ auszeichnete, habe man „kein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen“. Das Exporo-Klassenmodell sei lediglich ein standardisiertes Verfahren ohne Gewähr, weshalb eine Haftung „unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt“ ausscheide.

Exporo steht massiv unter Druck und spürt nun einen Crowdfunding-Aspekt, der eigentlich erst einmal den AnlegerInnen schadet: Aufgrund der kleinen Investitionsbeträge ist das Prozesskostenrisiko sehr hoch. Das gilt allerdings umgekehrt für die Plattform, die sich beim Stadtpark offenbar nur in ein paar Musterfällen teuer verteidigen lässt, andere Verfahren aber gleich aufgibt. So flatterte auch diese Woche wieder ein Versäumnisurteil auf meinen Schreibtisch, bei dem Exporo vermutlich die Anwaltskosten sparen wollte und sich lieber verurteilen lässt. Das macht die Zwickmühle nicht besser, denn jedes öffentlich gewordene VU animiert weitere AnlegerInnen Klage einzureichen.

Werbung von der Exporo-Homepage vs. Klageerwiderung der Exporo-Anwälte Heuking Kühn Lüer Wojtek
Werbung von der Exporo-Homepage vs. Klageerwiderung der Exporo-Anwälte Heuking Kühn Lüer Wojtek

Hinzu kommen fast täglich neue Zahlungsprobleme bei Fundings. Mit dem „Frankfurt – Westend“ muss Bergfürst einen neuen Insolvenzfall größerer Art zu meistern. Bergfürst-Chef Guido Sandler hat kürzlich erst den Anlegerschutz beworben und erklärt, warum AnlegerInnen bei Bergfürst das bessere Produkt bekämen. Es wird sich schnell zeigen, ob die Grundschuld und die Höchstbetragsbürgschaften bei der insolventen ELA 105 GmbH einen Mehrwert bieten. Bergfürst muss sich ernsthaft kümmern, denn vor einem Jahr machte man den 4.839 AnlegerInnen eine Verlängerung der Laufzeit und eine freiwillige Einräumung weiterer 3,3 Millionen Euro vorrangiger Grundschuld schmackhaft. „Damit wäre die Fertigstellung des Projekts gesichert“, hieß es damals im Vorfeld der Abstimmung. Bis heute ist das aber nicht passiert.

Wie wenig vertrauen AnlegerInnen in das Krisenmanagement von Bergfürst haben, zeigt eine Umfrage im Forum Investmentcheck.Community. Fünf von sechs der Befragten sind damit nicht zufrieden. Deshalb gibt es auch bei Frankfurt – Westend bereits eine Gruppe von AnlegerInnen, die gemeinsam Recherchieren und sich in einem internen Forum für Geschädigte dieses Fundings austauschen. Wenn Sie mehr über die Ergebnisse der Umfrage zur Zufriedenheit mit zehn großen Crowdfunding-Plattformen wissen wollen, können Sie gerne meine Zusammenfassung lesen (Schwarmfinanzierer häufig unzufrieden). Bei Bergfürst und bei Exporo würden 60 Prozent der Befragten übrigens nicht mehr investieren.

Bleiben Sie unerschütterlich.

Ihr
Stefan Loipfinger


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