Bieterprozess bei Project gestartet

KW 49/2023: Kommentar von Stefan Loipfinger
Dunkle Wolken über der Project-Gruppe - Standort Bamberg – Bild: Stefan Loipfinger
Dunkle Wolken über der Project-Gruppe – Standort Bamberg – Bild: Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Woche hat sich mal wieder der vorläufige Insolvenzverwalter bei der Project-Gruppe zu Wort gemeldet. Volker Böhm von der Kanzlei Schultze & Braun startet nun ein internationales Bieterverfahren für 35 Projekte: „Die meisten der zu verkaufenden Grundstücke befinden sich in sehr guten Lagen attraktiver deutscher Großstädte, etwa in Berlin, Düsseldorf oder Wiesbaden“, betont Böhm. „Deshalb erwarten wir – auch wenn der Immobilienmarkt zur Zeit schwierig ist – signifikante Erlöse.“ Auch wenn das erst einmal vielversprechend klingt, sagt das nichts über die möglichen Schäden für AnlegerInnen aus. Wie stark sind die Preise seit dem Einkauf in der Hochphase des Immobilienmarktes gefallen? Welche Ankaufs- und Planungskosten wurden ausgegeben, die vermutlich ein Käufer nicht bezahlen wird? Spannend wäre auch zu wissen, warum nur 23 der 26 Grundstücke verkauft werden. Bei den Entwicklungen mit begonnenem Bau, deren Käufe rückabgewickelt werden, gibt es eigentlich sechs Projekte, von denen nur fünf im Bieterprozess gelandet sind. Und von den neun Fällen mit „Verkauf ohne Rückabwicklung“ sind nur sieben in die Vermarktung gegeben worden. Ich habe das Eigenkapital dieser 35 Gesellschaften aufsummiert und komme per Ende 2021 auf 281 Millionen Euro. Inklusive der Anzahlungen durch KäuferInnen lag die Bilanzsumme der 35 Gesellschaften bei 341 Millionen Euro. Aktuell dürften die Zahlen sogar noch etwas höher liegen.

Immer mehr Insolvenzen
Bei der Jahnstraße 7 in Teltow vermeldet der Insolvenzverwalter in der aktuellen Tabelle, dass diese insolvent sei. Vor einem Monat stellte er sie in einer Aufstellung noch mit „kein Inso-Antrag“ dar. Aber die am 7. November gemeldeten 80 Insolvenzen bei den Immobilienentwicklungsgesellschaften sind auch anderweitig bereits überholt, denn es gab weitere öffentliche Sicherungsbekanntmachungen, so dass jetzt 85 der 119 Assets der Fonds als zahlungsunfähig gelten. Ob die Vermarktungschancen im Bieterprozess durch einen Insolvenzantrag verschlechtert werden, ist schwer zu sagen. Auf alle Fälle steigen aber die Kosten, denn der Verwalter Böhm bekommt seine Tätigkeit gut bezahlt.

Merkwürdige Musterklagen
Die in Wien ansässige und in Deutschland sehr aktive Crowdfunding-Plattform dagobertinvest muss mittlerweile mit sehr vielen säumigen Emittentinnen kämpfen. Wobei der Eindruck zahlreicher im Anlegerforum Investmentcheck.community versammelter geschädigter InvestorInnen eher der von Scheinkämpfen ist. Andreas Zederbauer hat als Chef der Plattform offenbar die Strategie ausgerufen, bei Zahlungsverzug „Musterklagen“ einzuleiten. Dabei wird beispielhaft ein einzelner Anlagebetrag eingeklagt, weil dagobertinvest angeblich ansonsten „keine rechtliche Handhabe gegenüber in Verzug geratenen Emittentinnen hat“. Um das nebulöse Vorgehen besser zu verstehen, habe ich mir über ein Aktenzeichen ein Urteil besorgen wollen. Doch das Bezirksgericht für Handelssachen in Wien teilte mir dann mit, dass es sich nur um einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl und kein Urteil handeln würde. Da dagobertinvest ihre Aktivitäten aber groß als Musterklagen bewirbt, wollte ich etwas mehr dazu wissen. Zederbauer gab keine Auskunft. Er lehne meine Anfrage ab. Dafür schrieb er mir, dass er bei allen Posts im Anlegerforum mitlese und alles fleißig dokumentiere. So sehr ich mich über LeserInnen im Forum freue, sollte er vielleicht auch einmal zu den zahlreichen Postings von enttäuschten AnlegerInnen Stellung beziehen. Aber vermutlich ist das Führen von angeblichen „Musterklagen“ so aufwändig, dass er dafür keine Zeit hat.

Kursrückgänge bei reconcept-Anleihen
Im Forum machen sich einige AnlegerInnen Sorgen um reconcept-Anleihen. Beispielsweise notiert der reconcept Green Bond II (6,25 Prozent bis 25. Januar 2028 – ISIN: DE000A3E5WT0) aktuell noch bei 87 Prozent. Wer auf diesem Niveau kauft, erzielt bei plangemäßer Rückzahlung 13,5 Prozent Rendite. Auch der reconcept Green Energy Asset Bond II (4,25 Prozent bis 28. Juni 2027 – ISIN: DE000A3MQQJ0) bringt bei einem Kurs von 80 Prozent eine Rendite von 11,4 Prozent. Auf Anfrage hat die reconcept GmbH erklärt, dass dies dem derzeitigen Kapitalmarktumfeld geschuldet sei und es „keine unternehmensspezifischen Gründe hierfür“ gäbe. Im Gegenteil: Das beim Green Energy Asset Bond II „hinterlegte Asset, der Windpark Hilpensberg, läuft seit Übernahme durchgehend zuverlässig – mit einer technischen Verfügbarkeit zwischen 99 und 100 Prozent“. Zumindest im Zwischenbericht für das erste Halbjahr ist das noch nicht erkennbar, denn dort ist ein Minus von 207 Tausend Euro ausgewiesen. Und die Muttergesellschaft reconcept GmbH hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Fehlbetrag von 2,7 Millionen Euro produziert. Vermutlich ist das der Grund, warum seit einigen Wochen einige AnlegerInnen lieber mit Verlust verkaufen.

Bleiben Sie wachsam.

Ihr

Stefan Loipfinger


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