Schwarmfinanzierer häufig unzufrieden

Eine Umfrage zeigt erhebliche Qualitätsunterschiede bei großen Crowdplattformen

Im Juli 2023 wurden TeilnehmerInnen im Anlegerforum Investmentcheck.Community befragt, wie zufrieden sie mit den Crowdfunding-Plattformen sind, bei denen sie mindestens 1x investiert haben. Die Umfrage ging zum Teil sehr ins Detail, weshalb die Antworten der 82 teilnehmenden Personen ein durchaus aussagekräftiges Gesamtbild abgeben. Mehr als die Hälfte der Befragten hat über 50 Crowdfundings getätigt. Fast 30 Prozent sind mit über 100 Investments schon fast als semi-professionelle Investoren einzustufen. Für Neueinsteiger und weniger erfahrene Schwarmfinanzierer dürften vor allem die Vergleiche der größten Plattformen spannend sein und ihnen eventuell späteren Ärger mit Investments ersparen.

Befragte. Die im Forum versammelten Schwarmfinanzierer haben über Jahre viele Erfahrungen gesammelt. Die meisten sind oder waren Fans von dieser modernen Form der Geldanlage. Vor allem Immobilienfinanzierungen sind besonders beliebt. Die bereits seit Jahren hohe Ausfallquote von Crowdfundings in junge Unternehmen ist für erfahrene Schwarmfinanzierer schon länger ein Hinderungsgrund, weil die wenigen Erfolge aufgrund der meist begrenzten Chancen nicht ausreichen, um eine positive Gesamtrendite zu ermöglichen. Bei den indirekten Immobilieninvestments hat der lange Zeit sehr gut laufende Markt für eine hohe Erfolgsquote gesorgt. Seit einem Jahr sieht es allerdings vor allem bei Projektentwicklungen, bei denen AnlegerInnen Mezzaninkapital bereitstellten, zunehmend düster aus. Immer mehr Emittentinnen können die Rückzahlungstermine nicht mehr einhalten, wobei es durchaus erhebliche Unterschiede bei den Plattformen gibt. Zunehmend zeigt sich, wer bei der Auswahl wirklich Wert auf Qualität legte und wer eher die Umsatzmaximierung verfolgte.

82 überwiegend sehr erfahrende Schwarmfinanzierer bewerteten die Qualität großer Schwarmfinanzierungsplattformen
82 überwiegend sehr erfahrende Schwarmfinanzierer bewerteten die Qualität großer Schwarmfinanzierungsplattformen

Zufriedenheit insgesamt. Immerhin drei von vier EVDI-AnlegerInnen würden der Plattform erneut Geld anvertrauen. Umgekehrt haben nur sieben Prozent angegeben, keinesfalls erneut bei E&V Digital zu investieren. Platz 2 im Vertrauensranking erreichte Rendity. Gut 70 Prozent sind bereit, dort erneut Immobilienprojekte zu finanzieren. Jeder Achte will das keinesfalls mehr tun. Bleibt noch Platz 3 für Zinsbaustein, die zwei von drei der befragten AnlegerInnen zufrieden stellte. Immerhin 17 Prozent sind allerdings bereits so enttäuscht worden, dass sie der Plattform kein Geld mehr überweisen wollen. Das ist nicht wenig, im Vergleich mit den sieben anderen Schwarmfinanzierungs-Plattformen allerdings noch ein Spitzenwert. Portagon mit ihren Marken LeihDeinerUmweltGeld (LDUG) oder Frankfurter Finanzanlagenvermittlung (FFAV) will von den Befragten niemand mehr Geld geben. Wobei hier einschränkend zu erwähnen ist, dass die Zahl der Portagon-Kunden unter den Befragten unterdurchschnittlich gering ist. Eine Repräsentativität ist deshalb nicht gegeben. Eine Tendenz allerdings sehr wohl, denn auch von den Nicht-Kunden unter den Befragten will niemand ein Portagon-Funding zeichnen.
Blamabel ist das Ergebnis auch für Bergfürst, zu der nur jede(r) Siebte noch Vertrauen hat. Zwei von drei dort schon investierende AnlegerInnen haben unter den Befragten keinerlei Interesse mehr. Ähnlich abgestraft werden Dagobert, Rocket sowie der Marktführer Exporo. Alle drei Plattformen haben bei mehr als jedem Zweiten jegliches Vertrauen verspielt.

Positiv aufgefallen sind in der Befragung E&V Digital, Rendity sowie Zinsbaustein
Positiv aufgefallen sind in der Befragung E&V Digital, Rendity sowie Zinsbaustein

Zufriedenheit im Detail. Neben der allgemeinen Zufriedenheit haben die Befragten zusätzlich noch verschiedene Details beurteilt. Hierbei ging es um die Due Diligence, also die Auswahl der Fundings durch die Plattform. Als zufrieden gilt hierbei jeder, der zufrieden, sehr zufrieden oder extrem zufrieden auswählte. Platz 1 belegt E&V Digital, deren Auswahlprozess vier von fünf Personen vertrauen. Dabei gaben elf Befragte sogar an, extrem zufrieden zu sein. Nur bei Rendity sind mit sieben Personen ebenfalls noch eine nennenswerte Zahl extrem zufrieden. Knapp 60 Prozent gaben an, mit der Due Diligence zumindest zufrieden zu sein. Bei Zinsbaustein sind es sieben von zehn, die mindestens zufrieden sind.
Beim Risikomanagement sind die Ergebnisse vergleichbar. Auffallend besser zum Due Diligence-Wert ist das Risikomanagement offenbar bei EstateGuru. Während nur jeder Dritte deren Due Diligence-Prüfung vertraut, ist es mehr als jeder Zweite, der mit dem Risikomanagement einverstanden ist.
Bei der Kommunikation verschiebt sich das Bild etwas und E&V Digital ist fast gleichauf mit Rendity und Zinsbaustein. Ganz schlechte Werte bekam neben Portagon auch OneCrowd mit ihren Marken Seedmatch, Econeers und Mezzany. Auch die Rocket-Gruppe mit ihren Marken LionRocket, HomeRocket und GreenRocket sollte dringend an der Kommunikation und dem Krisenmanagement arbeiten.

Exporo, Bergfürst, Dagobert sowie die Rocket-Gruppe haben in verschiedenen Detailfragen keine hohe Zufriedenheit bei den Befragten erreicht.
Exporo, Bergfürst, Dagobert sowie die Rocket-Gruppe haben in verschiedenen Detailfragen keine hohe Zufriedenheit bei den Befragten erreicht.

Selbsthilfegruppen. Die Befragung unter den ForumsteilnehmerInnen bestätigt auch zahllose Einträge zu einzelnen Kapitalanlagen. Wer sich kostenlos bei Investmentcheck.Community registriert, kann mitdiskutieren oder einfach nur vom Wissen mehrerer Tausend Schwarmfinanzierer profitieren. Wenn bei einzelnen Fundings Zahlungsstörungen auftauchen, überlegt die Community, wie die Situation eventuell verbessert werden könnte. Sogar gemeinsam finanzierte Klagen wurden schon mehrfach organisiert und auch erfolgreich umgesetzt. Die Abstimmung dazu erfolgt allerdings in internen Foren, zu denen nur nachgewiesene AnlegerInnen Zugang erhalten. Sucht sich die Community einen eigenen Rechtsbeistand, um gerichtlich tätig zu werden, kann über das Forum vereinfacht eine Abstimmung erfolgen, um den Aufwand bei den meist kleinteiligen Beträgen überschaubar zu halten. Sehr häufig übernehmen erfahrenere InvestorInnen in der jeweiligen Gruppe ein Moderatorenrolle, um Versäumnisse und damit rechtliche Ansatzpunkte mit der Community zusammenzutragen. Immer mehr Anwältinnen und Anwälte helfen mit ihrer Expertise und haben dadurch schon Mandate gewonnen. Das Stichwort „Schwarmintelligenz“ bekommt so eine ganz andere Bedeutung. Gleiches gilt für das Motto „Gemeinsam sind wir stark“.

Loipfinger’s Meinung. Die Umfrage erfüllt zwar nicht die Anforderungen an eine repräsentative Erhebung im Gesamtmarkt. Dafür ist sie absolut ehrlich und nicht durch „gekaufte“ Bewertungen beeinflusst. 82 Personen haben sich viel Zeit genommen und neun Fragen zu zehn großen Crowdplattformen beantwortet. Eine aussagekräftige Tendenz zur Qualität der digitalen Geldeinsammler ist es allemal. Nach Jahren aufstrebender Immobilienmärkte wurde nun ein Selektionsprozess eingeläutet. Nicht alle Plattformen werden überleben. Wer in der Vergangenheit viele KundInnen enttäuschte, wird es schwer haben. Sowohl Emittentinnen als Geldeinsammler sowie auch AnlegerInnen als Geldgeber sollten sich bei der Auswahl ihrer Plattform gut überlegen, wem sie für die nächsten Jahre einer Zusammenarbeit ihr Vertrauen schenken.

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