Insolvenzen beim deutschen TOP-10-Bauträger Project

32/2023: Wöchentlicher Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,
eigentlich wollte ich am Mittwoch noch Unterlagen für einen Schriftsatz eines Anwalts von mir zusammentragen. Dann kam die Meldung von einem Vermittler rein, dass zwei Unternehmen der Project-Gruppe Insolvenzantrag stellen mussten. Ehrlich gesagt war ich überrascht, weil dieses Emissionshaus auf meiner persönlichen Watchlist ganz weit unten stand. Eigenkapitalfinanzierte Projektentwicklungen in Verbindung mit Verwahrstelle und BaFin-Überwachung sollten doch irgendwie genug Sicherheit bieten, dass einem Journalisten wie mir nur Kritik an der Kostenstruktur und den meines Erachtens etwas zu optimistischen Prognosen übrigblieb. Pustekuchen, aktuell muss im Immobilienbereich wohl alles in Frage gestellt werden.

Soweit ich das bisher überblicken kann, haben die zwei insolventen Unternehmen eine zentrale Bedeutung in der gesamten Gruppe. Acht von neun Euro Umsatz im Gesamtkonzern kamen 2021 von diesen beiden Firmen. Wir dürfen also auf die nächsten Nachrichten gespannt sein. Gut werden sie nicht ausfallen. Doch was heißt das nun für die AnlegerInnen der Fonds? 30.000 Zeichner haben 1,4 Milliarden Euro bei Project investiert. Derzeit versuche ich Jahresabschlüsse von rund 120 Projektgesellschaften, 20 Publikums-Fonds, weiteren Spezial-AIFs sowie unzähligen Zwischengesellschaften auszuwerten. Soweit ich mir an der Stelle eine spekulative Prognose zutrauen darf, dann wird es noch kräftig bei einzelnen Projektgesellschaften scheppern. Angesichts des insolventen General-Generalunternehmens der Gruppe ist alles, was im Bau ist, gefährdet. Jedes Problem bei den Projektgesellschaften stellt am Ende Verluste für die AnlegerInnen dar. Wenigstens sehe ich aufgrund der Eigenkapitalstruktur keine Folgeinsolvenzen bei den Fonds.

Zwei Insolvenzen und keine Infos zum Rest der Project-Gruppe: Das stimmt nicht zuversichtlich
Zwei Insolvenzen und keine Infos zum Rest der Project-Gruppe: Das stimmt nicht zuversichtlich

Noch ist es viel zu früh, um auch nur grobe Verlusteinschätzungen vornehmen zu können. Ein Blick auf das bis Juni platzierte Beispiel Project Metropolen 21 zeigt, dass aufgrund der mageren Renditechance wenig Puffer nach unten ist. Magere 2,0 jährliche Durchschnittsrendite sollten im mittleren Szenario übrigbleiben. Dem stehen jährliche Kosten von 15,9 Prozent gegenüber. Für mich eine völlig überzogene Gebührenstruktur, unabhängig davon, dass ich diese Zahlen mit dem Verkaufsprospekt nicht nachvollziehen kann.

Das gilt übrigens auch für einen anderen Publikums-AIF, zu dem ich diese Woche eine Analyse veröffentlichte: Der HTB-Immobilienfonds 12 hat mit jährlich 5,3 Prozent ebenfalls sehr fragwürdige Durchschnittskosten. Wenn alles gut geht, dann sollen bei den AnlegerInnen vor Steuern 3,5 Prozent ankommen. Ebenfalls ein Kostenmonster, wie ich finde, das HTB allerdings mit einem anderen Fonds sogar noch toppt: Der Ratenzahler beim Venture-Capital-Fonds FineVest Active Ownership hat bis 2036 jährlich Kosten von 6,4 Prozent zu tragen, während im mittleren Szenario prognosegemäß 2,3 Prozent übrigbleiben sollen. Welcher Vermittler kann einem Kunden ins Gesicht schauen, wenn er ihm ein solches Chancen-Kosten-Verhältnis empfiehlt?

Bleiben Sie gradlinig

Ihr
Stefan Loipfinger

P.S.: Zu Project empfehle ich Ihnen eine Registrierung im Anlegerforum Investmentcheck.Community. Dort werde ich die nächsten Tage sukzessive zu jedem Fonds Recherchen veröffentlichen und gerne mit Ihnen dazu diskutieren.

Weitere Informationen finden Sie auf https://investmentcheck.community. Diskutieren Sie mit anderen AnlegerInnen und ExpertInnen über die aktuelle Situation bei den Fonds der Project-Gruppe.

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