Anfechtungen: „Jeder Fall ist einzeln zu beurteilen“

Rechtsanwalt Sascha Borowski von der Kanzlei Buchalik Brömmekamp

Im Fall von EN Storage leitet der Insolvenzverwalter gerade Musterklagen ein, die bei entsprechendem Ausgang tausenden Anlegern drohen. Rechtsanwalt Sascha Borowski von der Kanzlei Buchalik Brömmekamp beantwortet dazu ein paar Fragen:

Investmentcheck: Im Fall von EN Storage werden erste Musterverfahren auf Rückzahlung erhaltener Zahlungen geführt. Wie sollten sich Anleger nun verhalten?
Sascha Borowski: Auch Investoren, die bislang nicht vom Insolvenzverwalter zur Rückzahlung aufgefordert wurden, sollten mit einer Inanspruchnahme rechnen und sich schon jetzt beraten lassen. Wichtig ist, dass die Zahlungsströme (welche Zahlungen hat der Anleger wann erhalten und wofür ausgegeben) nachvollzogen werden können. Diese Zahlungsflüsse können im Rahmen der Verteidigung gegen die Rückforderung des Insolvenzverwalters entscheidend sein, um beispielsweise die Entreicherung nachzuweisen. Ist eine (zu Unrecht erlangte) Leistung nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe vorhanden, dann spricht der Fachmann von Entreicherung. Deshalb sollte schon jetzt für jeden Anleger eine Strategie erarbeitet werden, um nicht von der Rückforderung überrascht zu werden.
Die von den Insolvenzverwaltern gesetzten Fristen sind regelmäßig kurz gesetzt und meist schließt sich ohne weitere Nachfristsetzung die Einreichung der Klage an. Investoren sollten zudem weder den Rückforderungsbetrag ungeprüft zahlen, noch die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ignorieren. Die Hoffnung, dass der Verwalter die Forderung vergisst und diese in drei Jahren verjährt ist, besteht nicht. Insolvenzverwalter, die solche Forderung nicht geltend machen und/oder verjähren lassen, machen sich selbst schadensersatzpflichtig, weshalb sie ein Interesse an der Verfolgung dieser Ansprüche haben.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass Anfechtungsansprüche abgewehrt werden können?
Die gute Nachricht ist, dass es probate Verteidigungsmöglichkeiten gegen solche Anfechtungsansprüche gibt. Allerdings ist jeder Fall einzeln zu beurteilen. Zudem ist zwischen den Anlegern in Direktinvestments und denen in Anleihen zu unterscheiden. Wir gehen aufgrund unserer Erfahrungen davon aus, dass der Insolvenzverwalter vorerst die Anleger der Kauf- und Überlassungsverträge in Anspruch nehmen wird, da weder die Storage-Systeme existieren noch die Investoren das Eigentum dieser erwarben. Anders dürfte es bei den Anleihen aussehen. Die Anleihegläubiger haben – insoweit unterscheiden sich auch die Rechtslagen – die vertraglichen Verpflichtungen erbracht und hierfür Zinszahlungen erhalten. Bei den Direktinvestments hingegen wurden Mieten gezahlt, obwohl die Systeme nicht existierten, weshalb verwalterseits argumentiert wird, dass die Mietzahlungen „unentgeltliche Leistungen“ darstellen. Neben der fehlerhaften Ermittlung der Rückforderungsbeträge spielt auch die Entreicherung eine wesentliche Rolle. Allein die Mitteilung an den Verwalter „ich fühle mich entreichert oder ich habe meinen Lebensunterhalt von den Zahlungen bestritten“ wird nicht ausreichen und kann sogar kontraproduktiv sein. Keinesfalls sollte auf die Forderung des Insolvenzverwalters ohne vorherige juristische Prüfung gezahlt werden. Sowohl die Anfechtung der Zahlung als auch die Verteidigung gegen diese sind unter anderem aufgrund der hierzu existierenden feingliedrigen Rechtsprechung komplex, was die Prüfung durch Experten erfordert.

Gibt es die Möglichkeit, wenigstens im Verhandlungswege nur einen Teil des Anfechtungsbetrages bezahlen zu müssen?
Dies ist grundsätzlich denkbar, wenn auch der Insolvenzverwalter und der ihn beaufsichtigende Gläubigerausschuss in eindeutigen Fällen nur einen geringen Handlungsspielraum haben werden. Ein – wenn auch nur teilweiser – Forderungsverzicht stellt immer auch eine Verringerung der Quote für jeden Insolvenzgläubiger und damit eine Benachteiligung dieser dar. Im Fall EN Storage steht zu befürchten, dass die Anleihegläubiger auf eine Inanspruchnahme der Anleger in Direktinvestments pochen werden. Dadurch würde sich bei einer erfolgreichen Anfechtung die Insolvenzmasse und damit auch deren Insolvenzquote erhöhen und die Wahrscheinlichkeit ihrer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter wesentlich verringern. Ein Verzicht auf die Forderung wird (zumindest) in den ersten Klageverfahren keine Option für den Insolvenzverwalter sein, wie er in dem uns überlassenen Klageentwurf durch seinen Prozessbevollmächtigten ausrichten ließ. Gleichwohl führen wir mit dem Insolvenzverwalter intensive Gespräche, um eine gerichtliche Inanspruchnahme abzuwenden.


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