Sachwerte-Kolloquium am 28. Februar 2023 – municon am Flughafen München

9/2023: Wöchentlicher Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,
diese Woche fand das Sachwerte-Kolloquium statt. Am Nachmittag ging es um mein für den vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband erstelltes Gutachten zum Grauen Kapitalmarkt. Ich wollte einen Vortrag dazu halten, doch schon bei der ersten Folio brach eine Lawine der Entrüstung über mich herein. Mein 20-minütiger Impulsvortrag war nach einer Stunde immer noch nicht gehalten, weil man mir politisch motiviertes und unwissenschaftliches Arbeiten vorwarf. Und das waren nur die harmloseren Unterstellungen in der als Diskussion angelegten Runde, die mehr einem Kampf „Alle gegen Einen“ glich. Was bei mir – subjektiv – hängen blieb: Die Vorwürfe zielten alle auf Lappalien und Nebensächlichkeiten. Die strukturellen Probleme konnte niemand ernsthaft wegdiskutieren. Ich sehe es als Erfolg, auch wenn ich vermute, dass andere branchennahe Medien das anders kommentieren werden.

Vermutlich wurde die Emotionalität am Nachmittag durch zuvor schon geführte Diskussionen angeheizt, in denen es um geplante Veränderungen für Finanzanlagenvermittler ging. Mich würde es freuen, wenn die Finanzanlagenvermittlung endlich abgeschafft und in Zusammenhang mit komplexen Vermögensanlagen oder geschlossenen Fonds (heute AIF) immer eine Finanzberatung vorgeschrieben würde (siehe unter anderem meine Stellungnahme im Finanzausschuss zum Anlegerschutzstärkungsgesetz). Auch das auf EU-Ebene von der Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness vorgeschlagene Provisionsverbot erhitzte die Gemüter. Leider argumentierten hier ebenfalls einige eher destruktiv im Sinne, das geht überhaupt nicht. Von vielen Branchenvertretern wird die Tatsache ignoriert, dass Fehlanreize durch optimierte Provisionssysteme dem Kapitalmarkt enorm schaden, da sie die Qualität bei der Produktauswahl in den Hintergrund stellen. Mein Vorschlag zur Güte: Nicht Provisionen gehören verboten, sondern qualitätsverzerrende Honorierungsanreize. Das könnte man durch eine Provisionsverordnung erreichen. Grundsätzlich dürfen Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater für bestimmte Leistungen einheitliche Sätze abrechnen. Ähnliche Regelungen sollten Finanzberater in die Lage versetzen, gegen eine faire Bezahlung aus dem vorhandenen Produktangebot die qualitativ besten und für den Kunden geeignetsten auszuwählen, ohne dass die Höhe der Vergütung einen Einfluss auf die Produktauswahl hat.

Sachwerte-Kolloquium am 28. Februar 2023 - municon am Flughafen München
Sachwerte-Kolloquium am 28. Februar 2023 – municon am Flughafen München

Bleibt mir noch ein weiteres Beispiel dafür, dass Skandalfälle und Vermögensverluste leider alltäglich sind. Die Primus Concept Immobilienpartner Holding AG musste vor ein paar Tagen Insolvenz anmelden. Das Handelsblatt berichtete ausführlich und zitierte meine Auflistung von Schwarmfinanzierungen der Gruppe (siehe auch Investmentcheck.Community). Für die engagierten LeserInnen des Forums war die Pleite nicht überraschend, da schon länger Probleme bei den Fundings bekannt sind. Und auch ein anderer von mir ständig gepredigter Frühindikator steht seit Jahren auf dunkelrot: Obwohl nach meiner Kenntnis über 40 Firmen zur Holding gehörten, hat Vorstand Werner Schilcher seit dem Stichtag 30. September 2017 keine neuen Bilanzzahlen mehr veröffentlicht. In Großbritannien wird säumigen Unternehmen bei Nichtveröffentlichung eine letzte Frist eingeräumt und dann wird die Firma von Amts wegen gelöscht. Selbst ThomasLloyd wird als intransparenter Anbieter durch solche Androhungen dazu gebracht, für die dort ansässigen Firmen im letzten Moment Finanzzahlen zu veröffentlichen.

Bleiben Sie hartnäckig.

Ihr
Stefan Loipfinger

P.S.: Die Homepage der Crowd-Plattform immofunding.com ist seit einer Woche nicht mehr erreichbar. Im Anlegerforum Investmentcheck.Community versammeln sich gerade Betroffene, um weitere Hintergründe zu recherchieren und gegebenenfalls auch rechtliche Schritte einzuleiten. Bei der Plattform haben über 5.000 AnlegerInnen investiert. Der letzte Jahresabschluss der Immofunding GmbH zeigt 2019 und ist damit völlig veraltet.

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