Zahlreiche Negativabweichungen

Gefloppte Projektentwicklungen werfen Fragen bei reconcept auf

Was ein Aktienindex für den Aktienfondsmanager ist, ist der Soll/Ist-Vergleich für einen Manager Alternativer Investments. Wer das Geld von AnlegerInnen verwaltet, muss sich an einer Benchmark messen lassen. Karsten Reetz vom Hamburger Emissionshaus reconcept sieht das anders. Klar, denn er hat leider eine Reihe von Fonds, die deutlich unter Plan laufen. Bei einigen Zinsprodukten glich er Abschreibungen aus Projektentwicklungen durch den Verkaufsgewinn mit einer Beteiligung aus. Allerdings war der Käufer kein fremder Dritter, sondern die eigene Tochtergesellschaft.

Leistungsbilanz. Um etwas Positives gleich vorweg zu nehmen: reconcept hat auf eine Presseanfrage sehr dezidiert und umfangreich geantwortet. Das Emissionshaus versteckt sich nicht hinter gebräuchlichen Ausreden wie Corona oder Datenschutz. In einem Punkt ist die Einstellung allerdings sehr bedenklich: Es geht um die Leistungsbilanz. Soll/Ist-Vergleiche seien seit mehreren Jahren kein Branchenstandard mehr: „Der bsi und das IDW haben aus guten Gründen bei ihren Leistungsbilanzstandards davon Abstand genommen, Soll-Ist-Vergleiche aufzunehmen. Es soll der irreführende Eindruck vermieden werden, dass Beteiligungsangebote mit festen Renditeversprechen verbunden sind. Es handelt sich immer um unternehmerische Beteiligungen, die zudem von exogenen Umwelteinflüssen abhängen. Jährliche Soll-Ist-Vergleiche täuschen aber genau das vor.“ Unsinn, sage ich. Der Gesetzgeber schreibt ausdrücklich Ertragsprognosen unter verschiedenen Marktbedingungen vor. In den gesetzlich vorgeschriebenen Informationsblättern werden teilweise auf zwei Stellen hinter dem Komma Renditechancen beziffert. Folglich ist das die Benchmark für einen Anbieter, die es im Durchschnitt zu erreichen gilt. Warum der frühere bsi das abgeschafft hat, ist ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass viele seiner Mitglieder diese Form der Transparenz aufgrund der Zielverfehlungen nicht länger wollten.

reconcept leitet die Geschäfte aus der Hansestadt Hamburg
reconcept leitet die Geschäfte aus der Hansestadt Hamburg
Bild: Stefan Loipfinger

In-Sich-Geschäft. Zu Recht weist Karsten Reetz als geschäftsführender Gesellschafter der reconcept-Gruppe darauf hin, dass bei verzinsten Vermögensanlagen die Zahlungen immer vertragsgemäß geleistet wurden. Allerdings sollten Anleger das durchaus etwas hinterfragen, denn problemlos war das nicht immer. Bei den Genussrechten der reconcept 10 musste die reconcept GmbH insgesamt 3,3 Millionen Euro an Wertberichtigungen für zwei Flusswasserkraftwerke ausgleichen, damit die Rückzahlung Ende 2020 plangemäß möglich war. Spannend wird es, den Gewinn zu betrachten, der diese Tat erst ermöglicht hat. Reconcept hat 2019 einen außergewöhnlichen Ertrag von 10,9 Millionen Euro aus dem Verkauf der 50-prozentigen Beteiligung an der finnischen Tuulialfa OY erzielt. Allerdings erfolgte der Verkauf an keinen neutralen Dritten, sondern Ende 2019 an die eigene Tochter reconcept Finnland GmbH. Aus 1,9 Millionen Euro für den Kauf in 2016 wurden nun 12,8 Millionen Euro. Und 2020 kamen dann noch weiter 6,1 Millionen Euro Kaufpreisnachzahlung hinzu, so dass inklusive Zinsen die reconcept Finnland GmbH ihrer Muttergesellschaft Ende 2020 stolze 19,1 Millionen Euro schuldete.

Sachkapitalerhöhung. Im Frühjahr 2021 hat die reconcept Finnland dann zwei Millionen Euro von reconcept Anlagevehikeln aufgenommen und damit Schulden bei der Mutter bezahlt. Im Grunde war das viel zu wenig und auch zu spät, denn eigentlich wären die 19,1 Millionen Euro gemäß Kaufvertrag Ende 2020 fällig gewesen. Damit nun kein weiterer Verzug auftrat, beschloss Reetz im April eine Sachkapitalerhöhung. Die Restschuld von 17,1 Millionen Euro wurde dadurch bei der reconcept Finnland in Eigenkapital gewandelt. Damit das Registergericht Hamburg die Sacheinlage als werthaltig ansieht, hat die NPP Niethammer, Posewang & Partner GmbH ein entsprechendes Gutachten erstellt. Darin wird allerdings nicht der Gesamtbetrag bestätigt, sondern nur der kleine Grundkapitalbetrag von 975.000 Euro. Die Differenz zur gesamten Restschuld über 17,1 Millionen Euro wird als Kapitalrücklage verbucht und in diesem Gutachten nicht bestätigt.

reconcept 03. Während reconcept mit dem eigenen Finnlandinvestment offenbar tolle Gewinne erzielt, können AnlegerInnen des Mitte 2013 aufgelegten Fonds RE03 Windenergie Finnland nicht zufrieden sein. Bis Ende 2020 wollte reconcept den Anlegern 161,28 Prozent ihrer Zeichnungssumme überweisen [man beachte die zwei Stellen hinter dem Komma]. Tatsächlich fielen die geplanten Ausschüttungen jahrelang komplett aus, zum Schluss lagen sie weit unter Plan. Jetzt wird die Auflösung betrieben und zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft Adrealis sowie der reconcept von Karsten Reetz zeigen sich tiefe Gräben. Die Adrealis informiere die AnlegerInnen völlig verspätet, schimpft Reetz zu Recht, angesichts des bis heute noch nicht veröffentlichten Jahresabschlusses 2019. Andererseits zeigt er wenig Verständnis für die Anfrage von Investmentcheck, warum Tuulialfa so gut läuft während der Windkraftfonds floppt: „Die Entwicklung von Projekten und der Betrieb eines Windparks sind grundverschiedene Geschäftsfelder.“

reconcept 04. RE03 ist kein Einzelfall, der Fragen bezüglich unbefriedigender Ergebnisse rechtfertigt. Das im Sommer 2014 als AIF aufgelegte Angebot RE04 Wasserkraft Kanada reiht sich nahtlos ein. Geplant war mit dem Anlegerkapital von Herbst 2014 bis spätestens Mitte 2015 drei Wasserkraftwerke zu kaufen. Allerdings lief die Platzierung nicht gut und der Ankauf von Investments verzögerte sich. Im August 2016 schrieb Reetz noch vollmundig von einer Platzierungsverlängerung. Drei Monate später zog die Adrealis als Kapitalverwaltungsgesellschaft die Reißleine und betrieb die Liquidierung des Fonds. „Wir bedauern es sehr, dass die KVG sich veranlasst sieht, konfrontativ zu handeln“, schrieb Reetz damals an die AnlegerInnen. Die Adrealis sah sich im Recht: „Die ADREALIS Service KVG hätte sich schon zuvor ein einvernehmlicheres gemeinsames Handeln von KVG und Initiator gewünscht, sah sich aber letztlich durch ihren im KAGB festgelegten Auftrag als KVG zu den veranlassten, außergewöhnlichen Schritten gezwungen.“ Der Streit rief auch die Finanzaufsicht auf den Plan, die eine Sonderprüfung anordnete, weil der Verdacht im Raum stand, wonach Konzeptionsleistungen mehrfach abgerechnet und Vergütungen zu hoch belastet wurden. Auf Anfrage teilte Karsten Reetz gegenüber Investmentcheck mit: „Die Sonderprüfung der BaFin ist ‚ohne Befund‘ abgeschlossen worden. Keiner der damals im Raum stehenden Verdachtsmomente hat sich erhärtet.“ Für die Anleger war das am Ende kein Trost, denn sie bekamen nur 85 Prozent ihrer Einlagen zurück.

reconcept 06. Während bei dem Private Placement RE05 keine Zahlen vorliegen, ist bei dem nächsten Publikumsprodukt RE06 auch einiges schief gelaufen. Bei Prospektauflage im September 2014 wollte Reetz noch in Finnische Windkraftanlagen investieren, was aber im November 2017 durch Gesellschafterbeschluss geändert wurde. Das jahrelang auf Bankkonten rum gelegene Geld floss dann in den Windpark Jeggeleben. Dessen Ergebnisse sind allerdings unbefriedigend. Statt der bei Fondsauflage prognostizierten 8,5 Prozent für 2018 wurden nur 0,5 Prozent bezahlt. 2019 flossen statt geplanten 9,0 nur 2,5 Prozent.

reconcept 09. Zum Windpark Jeggeleben dazu gehört auch das Ende 2015 erstmals prospektierte Angebot RE09. Im Juli 2017 wurde ein Fortführungsprospekt heraus gegeben, weil die Platzierung sehr schleppend verlief. Erst im Mai 2018 wurde der Fonds mit acht Millionen Euro Kommanditkapital geschlossen. Ursprünglich geplant war fast das doppelte Kapital bis Ende 2016 zu sammeln. Die Platzierung erfolgte als Blind-Pool. Im April 2018 kaufte der Fonds zwei Windkraftanlagen im Park Jeggeleben. Diese liefen zu dem Zeitpunkt bereits seit zweieinhalb Jahren und sollten folglich bekannte Ertragszahlen mitbringen. Trotzdem waren die Ausschüttungen für AnlegerInnen in 2018 mit 0,8 Prozent und weiteren 4,5 Prozent für 2019 enttäuschend. Investmentcheck fragte Reetz deshalb, von wem reconcept die Windkraftanlagen in Jeggeleben ankaufte: „Verkäufer der Anlagen war die VERUM Windpark Jeggeleben GmbH & Co. KG. Zuvor hatte die reconcept GmbH das Projekt für RE06 und RE09 gesichert, ein branchenüblicher Vorgang.“

Loipfinger’s Meinung. Reetz verweist in seiner Stellungnahme zu Recht darauf, dass bei den Zinsprodukten stets plangemäß bezahlt wurde. Doch AnlegerInnen müssen sich bei solchen Angeboten blind darauf verlassen, dass der Anbieter das Geld erfolgreich investiert, damit er die Zinsen und Rückzahlungen inklusive der erheblichen Produktkosten auch verdient. Nicht zu vergessen, dass gerade bei nachrangigen Zinsprodukten für AnlegerInnen Probleme erst sehr spät erkennbar sind, da Zinsen nicht immer aus echten Erträgen bezahlt werden. Bei Fonds mit direkten Investments sind hingegen die Erfolge und damit die Managementqualität sehr schnell über einen Soll/Ist-Vergleich ablesbar. Einem solchen verweigert sich reconcept mit einer Ausrede. Folglich stimmt die zunehmende Emission von Darlehensprodukten eher skeptisch. Auch die Quersubventionierung von Verlusten aus Projektentwicklungen durch den Verkaufsgewinn einer Beteiligung an eine Tochtergesellschaft ist nicht gerade vertrauensfördernd.

Service. Im Forum Investmentcheck.Community gibt es auch einen Themenblock reconcept, zu dem sich bereits AnlegerInnen miteinander austauschen. Wenn Sie dort auch mitlesen oder mitdiskutieren möchten, können Sie sich gerne kostenlos registrieren. Sofern Sie regelmäßig an Informationen von investmentcheck interessiert sind, können Sie sich hier für den kostenlosen Newsletter eintragen. Sie erhalten dann Informationen wöchentlich in einer Mail zusammengefasst.


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