Dramatisches Signal für P&R-AnlegerInnen

OLG Hamm bestätigt Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters

Das Thema möglicher Rückzahlungen erhaltener Gelder vor der P&R-Insolvenz beschäftigt seit längerer Zeit die Gerichte. Zwischenzeitlich sind eine Reihe der erstinstanzlichen Urteile bei den Berufungsgerichten angekommen. Das Oberlandesgericht (OLG) München machte den Anfang und lieferte mit seiner Entscheidung sehr gute Nachrichten. Doch nun hat das OLG Hamm ein erstinstanzlich noch positives Urteil kassiert und dem Insolvenzverwalter teilweise Anfechtungsansprüche zugestanden. Die erheblichen Unterschiede zeigen sehr klar, dass am Ende doch der Bundesgerichtshof letztinstanzlich für Klarheit sorgen muss. Sie bestätigen auch die Vorgehensweise der Insolvenzverwalter, über sechs ausgewählte Pilotverfahren Rechtssicherheit zu schaffen.

LG Bochum. Letztes Jahr wurden zu den Pilotverfahren verschiedene Urteile mit einer uneinheitlichen Tendenz gefällt. Auch das Landgericht Bochum war darunter und entschied am 4. September 2020 vollständig zu Gunsten der Beklagten: „Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von 21.853,52 €. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Anspruchs gemäß §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO liegen nicht vor.“ Die eher dünn ausgefallene Begründung des Landgerichts klingt nicht schmeichelhaft für den Insolvenzverwalter, auch wenn dieser mit den Verfahren nur die Rechtslage verbindlich klären will: „Der Kläger verhält sich widersprüchlich und treuwidrig, wenn er trotz des betrügerischen Vorverhaltens der Insolvenzschuldnerin den rechtsgrundlos seitens der Beklagten an die Insolvenzschuldnerin gezahlten Kaufpreis zur Masse zieht, die an diese – zur Verschleierung des Betruges – gezahlten Mieten und den Rückkaufpreis jedoch als unentgeltliche Leistung anficht.“

Der BGH wird das Schlusswort in Sachen Anfechtung bei P&R sprechen
Am Ende muss der BGH über mögliche Anfechtungsansprüche bei P&R entscheiden.
Bild: Stefan Loipfinger

OLG Hamm. Als nächste Instanz war nun das Oberlandesgericht Hamm gefragt. Wie der Pressesprecher auf Anfrage von Investmentcheck bestätigte, wurde dort das erstinstanzliche Urteil abgeändert. Der Beklagte hat danach nun 5.953,52 Euro zuzüglich fünf Prozent Zinsen seit dem 25. Juli 2018 an den Insolvenzverwalter zu bezahlen. Die Kosten der Entscheidungen muss zu 73 Prozent der Kläger und zu 27 Prozent der Beklagte (Anleger) bezahlen. Mehr konnte der Pressesprecher leider noch nicht mitteilen, da die mündliche Verhandlung dazu erst vorgestern stattfand und noch kein Protokoll sowie keine schriftliche Begründung vorliegen. Er wusste auch nicht, ob eine Revision zum BGH zugelassen ist.

Interpretation. Auch wenn es spekulativ ist, so kann anhand der bezifferten Summe erahnt werden, wie das Gericht entschieden hat. Denn der beklagte Anleger hat 2011 für insgesamt 23.500 Euro fünf Container gekauft. Laut Urteil vom LG Bochum bekam er in den vier Jahren vor Insolvenzantragsstellung, also ab April 2014, insgesamt 5.365,52 Euro Miete überwiesen. Zahlungen außerhalb des Anfechtungszeitraums, also zwischen Kauf 2011 und April 2014, blieben außen vor. Im April 2016 floss schließlich der Restpreis in Höhe von 16.488 Euro zurück, der sich aus 15.900 Euro Rückkaufspreis und 588 Euro Restmiete zusammensetzte. Da die Summe der laut Gericht anfechtbaren Quartalsmieten und die in der Schlusszahlung enthaltene Restmiete genau dem zugesprochenen Betrag von 5.953,52 Euro entspricht, hat das Gericht offenbar den Teil der Mieten als anfechtbar eingestuft, der in den vier Jahren vor Insolvenzantragsstellung bezahlt wurde.

Loipfinger’s Meinung. Noch ist die Urteilsbegründung nicht veröffentlicht. Leider wusste ich vorher auch nicht von der mündlichen Verhandlung, so dass mir die vorgestern besprochenen Details unbekannt sind. Die Begründung für die Anfechtung der Mieten wird sehr spannend zu lesen sein. Denn diese waren vertraglich vereinbart, während der nicht anfechtbare Rückkaufspreis quasi freiwillig bezahlt wurde. Wir werden es nachlesen können in dem Urteil, das ich beim OLG schon angefordert habe. Ich werde es sofort nach Zusendung im Forum Investmentcheck.Community veröffentlichen. Dort finden sich auch die anderen Urteile, die mir vorliegen. Wer mehr aus meiner Berichterstattung zu P&R nachlesen will, der kann [hier] eine Gesamtübersicht abrufen.

Ein Tipp zum Schluss. Es gibt offenbar immer noch tausende AnlegerInnen, die die vom Insolvenzverwalter verschickte Hemmungsvereinbarung nicht unterzeichnet haben. Da die beiden Insolvenzverwalter ohne eine solche Hemmungsvereinbarung gezwungen sind, noch dieses Jahr verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten, wäre die Unterzeichnung zur Vermeidung unnötiger Kosten ratsam. Dies ist nicht als individueller Rechtsrat zu verstehen, sondern als Ergebnis aus zahlreichen Gesprächen mit verschiedensten Anlegeranwälten. Keiner sieht in der Hemmungsvereinbarung einen Nachteil. Wer dem nicht vertraut, sollte zur Vermeidung unnötiger Kosten eine individuelle Rechtsmeinung einholen. Denn Dr. Michael Jaffé und Dr. Philip Heinke haben unmissverständlich klargestellt, dass sie die zum Jahresende drohende Verjährung eventueller Ansprüche nicht zulassen. Die nun vorliegenden OLG-Urteile mit unterschiedlicher Rechtsauffassung zwingen sie regelrecht dazu.

Aktualisierung vom 18. Juni 2021. Aufgrund eines Leserhinweises wurde der Text in Bezug auf den Zahlungszeitraum der anfechtbaren Mieten etwas angepasst.

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