Insolvenzanträge bei P&R

Der größte deutsche Anlageskandal aller Zeiten

Am Donnerstag, den 15. März 2018 wurden die Insolvenzanträge bei verschiedenen P&R-Gesellschaften gestellt. Damit endete die zweiwöchige Zitterpartie seit Bekanntgabe von Zahlungsverzögerungen. In vielen Aspekten wird juristisches Neuland betreten. Für die über 50.000 Anleger bleiben viele Fragen offen. Spannend wird sein, ob es wirklich alle Container gibt und ob sie den Anlegern gehören. Auch die aufsichtsrechtliche und politische Dimension für die gesamte Branche wird sich erst noch zeigen.

Insolvenzanträge. Wie das Handelsblatt meldete, wurde für die P&R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbG sowie die P&R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH der Münchner Insolvenzverwalter Michael Jaffé bestellt. Für die P&R Container-Leasing GmbH ernannte das Insolvenzgericht Philip Heinke aus der Kanzlei Jaffé zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Die Container sind für Anleger abgefahren
Nach dem Zittern ist vor dem Zittern

Quelle: Homepage www.pundr.de, Screenshot 19. März 2018

Schneeballsystem? Viel wurde bereits über die Frage geschrieben, wie abhängig P&R vom Neugeschäft war. Welche Rolle spielte der Umsatzeinbruch von 40 Prozent im vergangenen Jahr? Waren die Mietunterdeckungen von 2014 bis 2016 mit zum Teil deutlich über 150 Millionen Euro auch schon vorher angefallen? Sind Finanzberater und Banken, die P&R-Container vermittelten, dafür haftbar, wenn Sie die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells nicht ausreichend verplausibilisiert haben? Und nicht zu vergessen: Wenn bei P&R eine Art von Schneeballsystem festgestellt werden würde, könnte der Insolvenzverwalter gemäß BGH-Rechtsprechung Scheingewinne zurückfordern. Damit wären Tausende von Anleger, deren Containermodelle in den letzten Jahren erfolgreich zurückgezahlt wurden, plötzlich dem Risiko einer Rückforderung erhaltener Ausschüttungen und Rückzahlungen ausgesetzt.

Luftcontainer? P&R-Vermittler und Anleger haben die letzten Wochen verzweifelt darauf gehofft, dass der Grünwalder Containeranbieter statt einem Insolvenzantrag durch eine Reduzierung von Mieten und Rückkaufspreisen das Schlimmste verhindert. Das ist nun nicht passiert, weshalb die Frage nach dem warum im Raum steht. Eine Begründung dafür könnte sein, dass nicht alle Container existieren. Das und noch mehr wird zu klären sein.

Schweiz. Extrem kompliziert werden die Insolvenzverfahren auch durch die im schweizerischen Zug ansäßige P&R Equipment & Finance Corp. Über diese Konstruktion hat der P&R-Strippenzieher Heinz Roth lange Zeit alles erfolgreich verschleiert. Da die in Deutschland nicht mehr angekommenen Mieten und Rückzahlungen von diesem Unternehmen kommen hätten sollen, müsste dort ebenfalls die Frage der Zahlungsfähigkeit im Raum stehen. Auf telefonische Nachfrage erklärte eine Dame am Telefon, sie könnte dazu nichts sagen. Auf die Frage, ob wirklich nur fünf MitarbeiterInnen bei der P&R in Zug arbeiten, meinte sie, dass das “Inhouse” stimmt. Am Ende ist es schon erstaunlich, wenn fünf MitarbeiterInnen rund sechs Prozent des Weltcontainerbestandes managen.

Politik. Am 10. Juli 2015 ist das Kleinanlegerschutzgesetz in Kraft getreten. Ursache war die Insolvenz des Windenergiebetreibers PROKON, bei dem 75.000 Anleger rund 1,4 Milliarden Euro in Genussrechte investiert hatten. Ein vom Bundesministerium der Finanzen und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz entwickeltes Maßnahmenpaket sollte solche unseriösen Praktiken für die Zukunft verhindern. Dies ist nicht gelungen, wie der aktuelle Fall von P&R aus Grünwald bei München zeigt. Aufgrund der Dimension ist zu erwarten, dass es erneut zu gesetzlichen Anpassungen kommen wird.

Aufsicht. Ganz viel zu diskutieren gibt es auch über die Rolle der Finanzaufsicht BaFin. Sie hat die Verkaufsprospekte der Containermodelle 5001 bis 5005 zum Vertrieb freigegeben, obwohl Zweifel am Geschäftsmodell schon damals erkennbar waren. Reflexartig wird sie die Verantwortung zwar abstreiten, aber das Vermögensanlagengesetz sieht ausdrücklich in Paragraph 19 Auskunftsansprüche und in Paragraph 18 Untersagungsbefugnisse vor. Dabei wird auf Paragraph 15 WpHG verwiesen, der wiederum auf Artikel 42 der EU-Verordnung 600/2014 verweist. Und dort wird eine Produktintervention ausdrücklich erlaubt, wenn “erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz” auftauchen. Wer noch Zweifel hat, ob das wirklich so anwendbar ist, kann auf der Homepage des Finanzministeriums zum Kleinanlegerschutzgesetz nachlesen: “Aufgrund der neu eingeführten Produktintervention kann die BaFin bei Rechtsverstößen oder Gefahren für den Anlegerschutz Vermögensanlagen und Finanzinstrumente verbieten oder deren Vermarktung beschränken.“ Und selbst wenn die BaFin-Mitarbeiter diese bei den ersten Verkaufsprospekten nicht gesehen haben, hätten sie nach einer warnenden Veröffentlichung der Stiftung Warentest im Juni 2017 aktiv werden müssen.

Loipfinger’s Meinung 1. Die Rolle der BaFin im Fall P&R ist keine rühmliche. Aber wenigstens hat der zuständige Mitarbeiter im Referat WA 54 Verkaufsprospekte von Anfang an offenbar auf eine Veröffentlichung der schweizer Bilanzen gedrängt. Denn es ist schwer vorstellbar, dass P&R diese freiwillig in den Verkaufsprospekten abgedruckt hat. Bei anderen Investments mit ähnlichen Konstruktionen bestehen andere Mitarbeiter nicht einmal darauf. Für mich ist deshalb die BaFin ein zahnloser Tiger, der sich bei unangenehmen Fällen freiwillig auch noch eine Augenbinde umlegt. Da bekommt der vom BaFin-Präsidenten Felix Hufeld gerne gebrauchte Ausspruch „Aufsicht mit Augenmaß“ gleich eine andere Bedeutung.

Loipfinger’s Meinung 2. Und noch eine Rolle ist im Fall P&R sehr unrühmlich: die der Berater. Wie konnten Banken und Finanzberater Container von P&R verkaufen, ohne die Tragfähig des Geschäftsmodells auf Herz und Nieren zu prüfen? Zu Recht werden das deren Kunden fragen und im Zweifel auch rechtlich klären lassen. Ich kann jeden Richter verstehen, der hier zu Gunsten der Anleger entscheidet. Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen bekommen viel zu tun.

Weitere Informationen. Wer mehr zu den Hintergründen erfahren möchte, sollte die Berichte von Investmentcheck von Juli 2016, Juni 2017 und vom 8. März nachlesen. Auch im kürzlich erschienenen Buch „Achtung, Anlegerfallen!“ ist ab Seite 221 einiges zu P&R zu lesen.


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