Weit über 50.000 falsche Steuererklärungen?

P&R-Anleger erwartet Stress mit dem Finanzamt

Steuermotive waren schon immer eine starke Triebfeder bei Geldanlagen. Auch P&R hat Steuervorteile in Aussicht gestellt. Doch das war immer an die Bedingung gekoppelt, dass die Anleger tatsächlich Eigentümer werden. Da die Eigentumsfrage allerdings immer mehr zu verneinen ist, sind die abgegebenen Steuererklärungen womöglich alle falsch.

Ausgangslage. Sofern Anleger in Deutschland voll steuerpflichtig sind und ihre Container im Privatvermögen halten, konnten sie laut P&R ihre Einnahmen um entsprechende Abschreibungen vermindern. Das heißt bei einem Neucontainer mit einer einheitlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren konnte ein Zehntel des Kaufpreises abgeschrieben werden, so dass die laufenden Auszahlungen fast steuerneutral erfolgten. Im letzten Verkaufsprospekt erklärten sie das so: „Diese steuerliche Einstufung der dargestellten Sachverhalte als ‚Sonstige Einkünfte‘ ist nicht explizit gesetzlich geregelt. Sie basiert auf der Zuweisung des wirtschaftlichen Eigentums, insbesondere auf Basis der sogenannten ‚Leasingerlasse‘.“

Die Erfolgsstory des Containers ist nicht für Alle eine Erfolgsgeschichte
1,25 Millionen P&R-Container hätten eine Länge von 7.500 km
Bild: Stefan Loipfinger, Containerterminal in Rotterdam

Eigentumsfrage. Anders als im Fall Magellan, in dem durch Rechtsanwalt Peter Mattil aus München eine Bestätigung des Eigentums durch den Insolvenzverwalter erreicht werden konnte, wird bei P&R die Eigentumsfrage vermutlich negativ ausfallen. Entgegen dem Versprechen von P&R sind die Anleger höchstwahrscheinlich hier nicht Eigentümer der Container geworden (siehe hierzu auch den Kommentar von Rechtsanwalt Dr. Jürgen Machunsky) . In der Folge wären keine Abschreibungen zulässig gewesen, weshalb die Steuererklärungen von vermutlich 70.000 Anlegern falsch sind. Die Zahl der betroffenen Anleger ist weit höher als die vom vorläufigen Insolvenzverwalter genannten 54.000 aktuellen Anleger, da auch vor den Insolvenzanträgen bereits zurückbezahlte Investments steuerlich falsch erklärt wurden. P&R selbst hat per Ende 2015 zum Beispiel von zu diesem Zeitpunkt investierten 62.000 Anlegern berichtet.

Einkommensteuer. Inwiefern eine Umqualifizierung der Einkünfte steuerliche Nachteile für einen Anleger bringt, hängt stark von seiner persönlichen Steuerlast ab. Zum Beispiel hat P&R den Anlegern in 2013 für die Neucontainer der Serie 272 vorgerechnet, dass sie in den fünf Jahren ihrer Vermietung so gut wie keine Steuern auf die Mietzahlungen leisten müssen. Erst 2018 wäre ein Veräußerungsgewinn auf die Differenz zwischen Buchwert und geplantem Restwert fällig. Wenn das Finanzamt hier nun die Abschreibung oder etwaige Zinsen aus einer Finanzierung der Container aufgrund des fehlenden Eigentums streicht, dann wären zumindest die Ertragsanteile der Miete zu versteuern gewesen (zum Beispiel, wenn Kapitaleinkünfte angenommen werden würden). Nachträgliche Steuern darauf lösen in den weiter zurückliegenden Jahren sogar sechs Prozent Strafzinsen aus. Und ein Verlust aus dem nicht wie geplant zu erwartenden Verkauf der Container durch den Insolvenzverwalter kann nicht steuerlich geltend gemacht werden.

Altfälle. Ganz bitter könnte es für Altfälle von P&R werden. Im März 2009 hat P&R beispielsweise Anleger massiv mit Steuermotiven gelockt. Unter der Überschrift „Steuerfreie Spitzenrendite“ wurde ihnen eine 2. Mietphase schmackhaft gemacht: „Das Konzept der 2. Mietphase ist vorwiegend steuerlich motiviert […] Eine wesentlich verbesserte Rendite kann aufgrund der alten steuerlichen Regelung realisiert werden, da der Kauf der Container vor dem 1. Januar 2009 getätigt wurde. Da der Investor weiterhin Eigentümer bleibt, wird dadurch die steuerliche Gestaltungsmöglichkeit auch ab 2009 voll ausgenutzt und der Ertrag optimiert.“ Hintergrund war der damals in die Zukunft verschobene steuerfreie Rückkauf in Verbindung mit im Grunde steuerfreien Mieten. Das hat Investoren natürlich überzeugt und dem Vertrieb eine „Pauschalvergütung in Höhe von 5% vom Investitionswert“ beschert.

Umsatzsteuer. Völlig unklar ist außerdem, wie sich eine fehlende Eigentümerstellung der Anleger auf abgegebene Umsatzsteuererklärungen auswirkt. Dazu heißt es im Verkaufsprospekt des Angebots 5005: „Mit Erwerb der Standardcontainer durch den Anleger von der Emittentin zu Beginn der Mietphase wird die Verfügungsmacht von der Emittentin an den Anleger übertragen, da dieser im eigenen Namen über die beweglichen, körperlichen Gegenstände (Standardcontainer) verfügen kann. Umsatzsteuerlich sind deshalb sämtliche Tatbestandsmerkmale einer Lieferung erfüllt.“ An anderer Stelle heißt es lapidar: „Der Anleger hat die Umsatzsteuer anzumelden und abzuführen.“ Was ist, wenn die Erklärungen alle falsch waren? Wie wären die Investments umsatzsteuerlich zu behandeln gewesen, wenn keine Eigentumsübertragung angenommen wird?

Bilanzen. In Zusammenhang mit falschen Steuererklärungen stellt sich in der Regel die Frage, ob die Erklärung absichtlich oder unwissend falsch eingereicht wurde. Im Falle der Anleger kann sicherlich von Unwissenheit ausgegangen werden. Aber was ist mit den Steuererklärungen der inzwischen insolventen P&R-Gesellschaften? Inwiefern sind diese falsch abgegeben worden, wenn Anleger nie Eigentümer der Container wurden? Hätte das Heinz Roth, der als Geschäftsführer für die letzten veröffentlichten Jahresabschlüsse 2015 verantwortlich war, das wissen können oder müssen? Und zu guter Letzt stellt sich die Frage nach eventuellen Verfehlungen des Wirtschaftsprüfers Werner Wagner-Gruber. Schließlich ist seine Prüfung „so zu planen und durchzuführen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße, die sich auf die Darstellung des durch den Jahresabschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und durch den Lagebericht vermittelten Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wesentlich auswirken, mit hinreichender Sicherheit erkannt werden.“

Loipfinger’s Meinung. Wie groß der Schaden für die Containerinvestoren durch das Insolvenzverfahren am Ende ausfällt kann heute noch niemand seriös vorhersagen. Aber unstrittig ist, dass die Anleger Verluste erleiden werden. Jetzt kommt zu dieser Unsicherheit noch eine weitere unangenehme Problematik hinzu: Wie reagiert das Finanzamt, wenn die Anleger nie Eigentümer der Container wurden und ihre Steuererklärungen aber so ausfüllten, als wären sie es? Einige Vermittler von P&R-Containern sollen schon Kunden angesprochen haben, ihre Steuererklärungen neu zu berechnen. Bei größeren Anlagesummen ist ein Gespräch mit dem eigenen Steuerberater dringend anzuraten.

Bisherige P&R-Berichterstattung (chronologisch):
Bestätigungsvermerke nur mit Einschränkungen (22. Juli 2016)
Fragwürdige Mietunterdeckungen bei P&R (26. Juni 2017)
Buch „Achtung, Anlegerfallen!“ ab Seite 221 (erschienen 27. Februar 2018)
Wie groß ist das Feuer unterm Dach? (8. März 2018)
Insolvenzanträge bei P&R (19. März 2018)
P&R –Schwindeleien gehen weiter (26. März 2018)
Erste traurige Wahrheiten (18. April 2018)
Weitere Insolvenzanträge bei P&R (27. April 2018)
Haftet die BaFin im Fall P&R? (3. Mai 2018)
P&R – Eigentum und Eigentumszertifikate (4. Mai 2018)