Mit Turbo in die Insolvenz

1.380 Companisten verlieren Geld

Mit über einer Million Euro dürfte die Returbo-Insolvenz das bisher größte gescheiterte Crowd-Investment sein. Immerhin 1.380 Anleger haben über die Plattform von Companisto 1,09 Millionen Euro investiert. Der Skandal dabei: Die Beteiligung wurde erst vor gut einem Jahr mit vollmundigen Versprechen angeboten: „[…] hat das Unternehmen nunmehr die Profitabilität erreicht. Daher ist diese Wachstumsfinanzierung mit einem vergleichsweise geringeren Risiko gekennzeichnet als bei Startups ohne erprobtes Geschäftsmodell und Proof-of-Concept.“

Angebot. Bis zu zwei Millionen Euro wurden ab dem 23. Juni 2015 von der Crowdfunding-Plattform Companisto für das 2010 gegründete Unternehmen Returbo GmbH gesucht. Etwas mehr als die Hälfte wurde innerhalb der zweimonatigen Investitionsfrist tatsächlich auf Basis einer Unternehmensbewertung von 11,5 Millionen Euro akquiriert. Rechtsform war ein partiarisches Nachrangdarlehen mit einer ertragsunabhängigen Verzinsung von 1 Prozent pro Jahr. Zusätzlich sollte ein Bonuszins auf Basis der Beteiligungsquote bezahlt werden, der im Grunde dem anteiligen Gewinn vor Steuern entsprechen sollte. Mit Rückzahlung des Nachrangdarlehens wäre dann noch eine Beteiligung an der Wertsteigerung des Unternehmenswertes fällig geworden.

1.380 Companisten bangen um ihr Geld
Über 1 Million Euro könnten vernichtet worden sein
Quelle: Homepage www.companisto.de vom 26. Oktober 2016

Beispielrechnung. Damit Anleger sich für eine Beteiligung begeistern konnten, wurde ihnen eine Beispielgewinnrechnung präsentiert. Von 6 Millionen Euro Umsatz in 2015 sollte dieser bis 2019 auf über 30 Millionen Euro gesteigert werden. Das EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) wurde von 282.000 Euro in 2015 auf 3 Millionen Euro in 2019 hochgerechnet. Und damit die Investoren nicht lange überlegten, wurde ihnen ein Exit auf Basis einer Unternehmensbewertung von 135 Millionen Euro (!) vorgerechnet. Traumergebnis: 22,3 Prozent Bonuszins für 2019 und eine Verzehnfachung des Kapitals! Und wem das noch nicht reichte, dem wurde folgende „Erfahrung“ mitgeteilt: „Die meisten Startups planen mit steigenden Gewinnen in späteren Jahren, die die Gewinne der ersten – hier dargestellten – Jahre deutlich übertreffen können.“

Verkaufslügen? „RETURBO ist der führende Spezialist für den E-Commerce-Zweitmarkt, ist profitabel und wird 2015 voraussichtlich mehr als 6 Mio. EUR Umsatzerlöse erzielen. Wir verkaufen Retouren und andere Zweitmarkt-Produkte gewinnbringend über mehr als 30 Online-Absatzkanäle und bieten Konsumenten damit Markenartikel zu unschlagbar günstigen Preisen.“ Soweit zur Situationsbeschreibung im Juni 2015. Mit Superlativen und knackigen Verkaufsversprechen wurde nicht gespart: „[…]das erfolgreiche Modell […]”, „[…] Wachstumsfinanzierung mit einem vergleichsweise geringeren Risiko […]”, „[…] die weitere Wachstumsfinanzierung nach Erreichung des Break-Evens […]”, „[…] extrem lukrativen Markt […]” und „Das erfolgreiche Modell soll durch Intensivierung von Vertrieb & Marketing sowie Ausbau der IT […] skaliert werden.” sind einig Beispiel aus den Beschreibungen von damals. Sogar von einer „Rohmarge von über 50%“ im Jahr 2015 wurde berichtet.

Realität. Am 20. Oktober 2016 wurde vom Amtsgericht Charlottenburg unter dem Aktenzeichen 36r IN 5582/16 Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung nachteiliger Veränderungen der Vermögenslage der Schuldnerin verhängt. Hintergrund war ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weshalb Rechtsanwalt Prof. Dr. Torsten Martini zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt wurde. Angesichts der angeblich im Sommer 2015 noch ausgezeichneten Geschäftslage dürften sich einige die Frage stellen, wann der große Einbruch stattfand und ob dieser wirklich nicht vorhersehbar war. Ein Blick in den Jahresabschluss 2015, der im Mai 2016 vom Geschäftsführer Simon Schmid unterzeichnet wurde, bestätigt Zweifel. Das Eigenkapital der Gesellschaft war zum 31. Dezember 2015 ohne Einrechnung der Nachrangdarlehen fast vollständig aufgebraucht. Ferner wird darin über bilanzierte immaterielle Vermögensgegenstände und ähnliches referiert. Besorgniserregend wird dazu festgehalten: „Ohne die Inanspruchnahme dieses Bilanzierungswahlrechts würde die Gesellschaft zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2015 einen Nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von TEUR 2.555 ausweisen.“

Rechtliche Einschätzung. Der Göttinger Rechtsanwalt Dr. Jürgen Machunsky sieht massive rechtliche Fragen bezüglich der vollmundigen Versprechen. Fragen, die früher oder später auch die Rechtsprechung stellen wird. Speziell verweist er auf ein aktuelles Urteil vom Landgericht Hamburg: „Geht ein Unternehmen schon nach relativ kurzer Zeit (hier 2 Jahre) nach Beitritt der Anleger in Insolvenz liegt die Vermutung nahe, dass die Prognosen unvertretbar waren“. (LG Hamburg, Teilurteil vom 04. Februar 2016 – 330 O 456/14 –, Rn. 23, juris) Er rät deshalb geschädigten Anlegern, sich rechtlich über mögliche Schadensersatzansprüche beraten zu lassen. Außerdem sieht er die Privilegien von Schwarmfinanzierungen im Vermögensanlagengesetz auf dem Prüfstand. Obwohl der deutsche Crowdinvesting-Markt noch relativ jung ist, häufen sich zunehmend die Pleiten. Machunsky verweist hier auf weitere Beispiele wie Tollabox, Vibewrite und foodieSquare.

Loipfinger’s Meinung. Rechtsanwalt Machunsky hat völlig Recht. Crowd-Plattformen wie Companisto haben eine Verantwortung, der sie scheinbar nicht ausreichend gerecht werden. Immerhin lassen sie sich für die Vermittlung von Anlegerkapital stolze Provisionen und/oder Gewinnbeteiligungen einräumen. Wenn sie das auf Basis von überzogenen Versprechen tun, dann sollten ihnen Richter Grenzen aufzeigen. Die BaFin als Aufsichtsbehörde, der mittlerweile alle Vermögensanlagen-Informationsblätter von Schwarmfinanzierungen vorgelegt werden müssen, tut es ja nicht.


Beitrag veröffentlicht

in

von